Recruiting und Jobsuche – Neues von der Zukunft Personal Europe

20.09.2018, Lars Hahn

Diesen Artikel teilen:

 

Wieder einmal besuchte ich die Zukunft Personal Europe, Europas größtes Event für Human Resources und Recruiting. Auf der Messe hab ich mich umgesehen, welche Themen und Entwicklungen es im Personalbereich gibt.

Schon in den vergangenen Jahren bewegten Martin Salwiczek und mich die Frage, was man aus den aktuellen Themen der Zukunft Personal für Trends für die Themen Bewerbung und Jobsuche ableiten kann.

 

Bei meinem Besuch traf ich auf viele Akteure der Personaler- und Recruiting-Szene, von denen ich im Netz viel lese. Wir folgen bei der LVQ vielen HR-Blogs und Wissensportalen, halten uns über Twitter und Co. auf dem Laufenden, welche Tendenzen und Trends bei Personalern für Bewerber wichtig sein könnten.

 

Auf der Fachmesse bekommt man dann das Gesicht dazu: HR-Blogger hielten bei „Meet the Blogger“ nicht nur wissenswerte Vorträge, man kam auch ins Gespräch mit ihnen. Allein während meiner nachmittäglichen Stippvisite kam ich in den Genuss von tollen Themen und spannenden Menschen.

Netzwerken und Lernen vor Ort auf der Zukunft Personal

HRisnotacrime alias Eva Stock berichtete über ihren ungewöhnlichen Wechsel vom Konzern in die Startup-Szene. Robindro Ullah, referierte über die Bedeutung von Exponentialität auch im Recruiting, Tim Verhoeven , Recruiting-Leiter bei Bearing Point über Bots, Big Data und künstliche Intelligenz. Persoblogger und DATEV-Personalmarketing-Experte Stefan Scheller brachte sein Publikum mit einem Wissensupdate aus dem Personalmarketing- und Recruiting-Fundus seines Blogs auf den aktuellen Stand zum Beispiel über m/w/d.

 

Selbst die Jobportale und Jobbörsen erhalten durch den Messebesuch ein persönliches Gesicht: Während man bei Stepstone über die aktuelle Studie „Jobsuche im Fokus“ diskutieren kann, bei Stellenanzeigen.de im Bällebecken „badet“ und netzwerkt, zeigen viele Aussteller aktuelle Entwicklungen: Video-Bewerbungsplattformen, Video-Conferencing statt Vorstellungsgespräche, strukturierte Jobanzeigen – „googleoptimiert“, App-basiertes Recruiting à la tinder (kennen Sie truffls? Unbedingt ausprobieren!). Das Tolle daran: Beim Rundgang über die Messe kann man Strömungen und Trends erfahren – wenn man die richtigen Fragen stellt.

 

Generell ist die Zukunft Personal Europe für mich ein gutes Beispiel, weshalb es sich auch heutzutage lohnt, offline Events zu besuchen: Die Messe ist weit vorher sichtbar im eigenen Zukunft-Personal-Blog und Social Media, die fachliche Community diskutiert. Auch während der Messe finden Diskussionen vor Ort und bei Twitter unter #zpEurope18 statt. Wer auf Blogs gelesen wurde, wird jetzt endlich mal live getroffen und auf XING und LinkedIn kontaktiert.

Algorithmus und Social – Widerspruch der Digitalisierung

Für das Thema Jobsuche habe ich für mich auf der #zpEurope18 eine spannende Entwicklung herausgearbeitet, die auf den ersten Blick widersprüchlich anmutet:

Algorithmen machen Personalauswahl

 

Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Big Data halten in die Personalgewinnung Einzug. Algorithmen sind in der Lage ein großes Stück der Personalauswahl zu übernehmen (vielleicht gar besser als die Personalprofis).

 

Das führt zum Beispiel dazu, dass Stellenanzeigen noch viel strukturierter sein müssen, damit Google sie richtig lesen kann. Personalauswahl anhand von Daten, noch messbarer und vergleichbarer als bisher.

 

„Computional Thinking“ – denken wie ein Computer, nennt Robindo Ullah die Fähigkeit, die Personaler (und auch Bewerber?) dafür brauchen, um mit der Rationalität von künstlichen Personalauswählern umzugehen.

Social Skills für Recruiter

Durch Digitalisierung wird Recruiting also noch standardisierter und strukturierter – effizienter und messbarer. Der Computeralgorithmus übernimmt viele Aufgaben der Personaler. Spätestens an diesem Punkt tauchte bei der Zukunft Personal stets die Frage auf: „Was machen denn die Personalverantwortlichen, wenn der Computer gar besser aus Unterlagen sortiert?“.

 

Sowohl bei Tim Verhoeven als auch Stefan Scheller klingt es an: Das Aufgabenprofil von Recruitern und Personalakteuren wird sich in nächster Zeit wandeln zu Kommunikatoren: „Recruiter sind auch Influencer“ heißt es bei Verhoeven.

 

Bewerber würden mehr und mehr auch abseits der Stellenausschreibungen über Empfehlungen, Kontakte und Netzwerke kommen. Jobsuchende würden die Social Media-Kanäle selbstverständlich nutzen. Stefan Scheller betont: „Recruiter brauchen professionelle Social Media Profile! Wenn sie denn potentielle Bewerber ansprechen wollen...“

 

Social Media, Gespräche, Moderation der Akteure im Betrieb, Vernetzung – online wie offline. Systematisch Kaffeetrinken wird gewissermaßen eine Qualifikation von Personalern – ganz nach meinem Geschmack.

Bewerber spielen im gleichen Spiel

Für die Bewerbung bedeuten diese Entwicklungen zwei Konsequenzen:

  • Im offenen Stellenmarkt – da wo Stellen per Jobbörsen, Karriereseite, Stellenportale ausgeschrieben werden – wird in Zukunft durch den Algorithmus wesentlich mehr die Darstellung von Skills und beruflichen Stationen im Vordergrund stehen. Vorteil: Die reine Bauchgefühl-Selektion von Personalern wird (hoffentlich) dabei zurückgehen. Für Bewerber heißt das: Klare Darstellung, was ich kann. Fähigkeiten, Skills und Erfolge müssen im Anschreiben deutlich benannt werden. Schwulstige Anschreiben-Prosa, Nasenfaktor aber auch Lebenslauflücken könnten durch Computerauswahl unwichtiger werden (hurra!).
  • Im verdeckten Stellenmarkt – da wo Stellen durch Empfehlungen, Kontakte und Vernetzung besetzt werden – werden Arbeitgeber zukünftig stärker präsent sein trotz aller Algorithmen noch mehr „menscheln“ (müssen). Zeitgemäße Recruiter sind dort selbst unterwegs und instruieren ihre Mitarbeiter, wie sie auf potentielle neue Kollegen aufmerksam werden – Stichwort Mitarbeiter als Markenbotschafter. Für Bewerber werden so die Social Media-Profile noch wichtiger werden.

Viele Bewerber sind in dem Prozess der Digitalisierung schon viel weiter als die Personalseite oder wie Tim Verhoeven mir bei der Zukunft Personal sagte.

 

„Ich glaub, die Bewerber sind schon 4.0“

 

P.S.: Mein Besuch auf der insgesamt dreitägigen Zukunft Personal Europe beschränkte sich dies Jahr leider nur auf einen Tag. Daher verpasste ich viele spannende Themen. Da gabs zum Beispiel noch die Sonderthemen Digital Learning, Corporate Health, New Work und Working out Loud. Allesamt einen eigenen Besuch wert. Vielleicht beim nächsten Mal, ganz passend zum Motto der Zukunft Personal „succeed in permanent beta“.

 

P.P.S.:  Auf dem Barcamp Düsseldorf hielten wir eine Session "Recruiting, HR und Social Media Manager - Es ist kompliziert!". Fazit: Es gibt noch viel zu tun. Für HR und Social Media Manager. Die Folien zur Session gibt es hier: Recruiting, HR und Social Media Manager - Es ist kompliziert!

Diesen Artikel teilen:

2 Kommentare

Dieter-Michael Last
16. September 2019

Wieder mal ein lesens- und vor allem bedenkenswerter Artikel von Ihnen, Herr Hahn. Allerdings, es gibt etwas, was mich an Ihren Ausführungen stört: der unreflektierte Gebrauch des Ausdrucks »Künstliche Intelligenz« oder »KI«.

 

Ich bin sicher, dass Sie auch die Diskussionen dazu kennen, was Intelligenz eigentlich ist und ob das, was menschliche Intelligenz ausmacht, je von Maschinen geleistet werden kann. Deshalb werde ich jetzt keine Argumente hierzu vortragen. Aber für mich ist klar, dass Maschinen nicht intelligent sind und es wohl auch auf absehbare Zeit nicht sein werden. Ob das immer so bleibt, spielt dabei keine Rolle.

 

Zur Zeit ist die so genannte »Künstliche Intelligenz« nicht anderes als Software, die anhand von Menschen(!) festgelegten Regeln Daten erheben, vergleichen und gewichten. Die Entscheidungen, die Maschinen daraus treffen, zum Beispiel, welche Bewerber direkt aussortiert werden, fallen aufgrund von vorgegebenen Entscheidungsmöglichkeiten, die von den gleichen Menschen gemacht wurden, die auch die vorgelagerten Regeln festgelegt haben.

 

Das hat aber nicht wirklich etwas mit Intelligenz zu tun, sondern ist nichts anderes als die Automatisierung eines vorher festgelegten Entscheidungsprozesses. Als ich mich vor einiger Zeit mit einem Bekannten darüber unterhielt, sagte er mir, dass sich deshalb auch der Begriff »ADM« (Automated Decisssion Making) immer mehr durchsetzen würde; zulasten des »AI« (Artificial Intelligence). Und das hat mich überzeugt.

 

Warum ich das so explizit erwähne?

Zum Beispiel, weil bei mehr Begriffsschärfe und -klarheit, was »KI« eigentlich ist, einige Fragen, die Sie stellen, gar nicht aufkämen. Zum Beispiel auch die Frage, was denn die Recruiter machen, wenn...

Und weil der ADM-Begriff deutlich macht, dass immer noch Menschen für den entsprechenden Prozess verantwortlich sind.

 

Vielleicht sind diese Überlegungen auch etwas für Sie und Ihre weiteren Überlegungen zu dem Thema?


Lars Hahn
17. September 2019

Dank Herr Last, Sie haben natürlich recht. Man müsste eigentlich zumindest die Intelligenz in KI in fetten Anführungszeichen schreiben. ADM finde ich allerdings auch zu kurz gegriffen. Denn spätestens, wenn Machine Learning dazukommt, ist es eben nicht nur automatisiert. Ein wirklich passender Begriff fällt mir da zurzeit nicht ein. Da hier die meisten momentan von KI oder AI sprechen, habe ich mir die Freiheit genommen, mich da dran zu hängen. :-)


Schreibe einen Kommentar

Kommentar