Als Ingenieur auf Jobsuche: Welche Trends am Arbeitsmarkt warten

03.02.2022, Angela Borin

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„Wenn Du Ingenieur wirst, ist das eine sichere Bank!"

Die Aussage kommt Ihnen bekannt vor? Kaum verwunderlich, galten Ingenieure jedweder Art doch lange als gefragte Fachkräfte, die sich ihre Stellen und Arbeitgeber wunschgemäß aussuchen konnten. Während jedoch einige Ingenieurszweige schon seit einiger Zeit straucheln, gewinnen andere nicht zuletzt durch Digitalisierung, Innovation und Corona an zukunftsweisender Bedeutung.

Einmal für die Ingenieurswissenschaften entschieden, ist die Bandbreite an Spezialisierungsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Branchen enorm. Damit Sie für Ihren Berufs-, Wieder- oder Quereinstieg oder einfach für Ihren nächsten Karriereschritt die passende Ausrichtung wählen können, haben wir uns die aktuellen (Arbeitsmarkt-)Trends für Ingenieure näher angeschaut. Neben den Gründen für die Veränderung des Ingenieursarbeitsmarktes beleuchten wir auch die aktuelle Arbeitsmarktnachfrage nach Ingenieuren, neue Berufsfelder, gefragte Skills und passende Weiterbildungen.

Trends am Arbeitsmarkt und ihre Gründe

In unserem Auftaktartikel 2022 sprachen wir von drei großen Trends, die uns und die Zukunft unserer Arbeit in den kommenden Jahren beschäftigen werden. Zwei dieser Trends prägen unsere Arbeitswelt bereits seit geraumer Zeit: die fortschreitende Digitalisierung und Dekarbonisierung. Sie bewirken eine stetige Neuerfindung und Verschiebung von Berufsbildern und gehen einher mit hohen Bedarfen an qualifizierten Fachkräften.

Nachhaltigkeit, Automatisierung, KI, Industrie 4.0, Robotik, erneuerbare Energien: Viele der Themen, die uns und unsere Arbeitswelt heute bestimmen, erfordern eine mechanisch-technische, aber auch elektronisch-datenverarbeitende Expertise. Speziell der Klimaschutz wirft für Unternehmen neue Herausforderungen auf. Schließlich sind sie gefordert, schnellstmöglich neue klimafreundliche Technologien, Herstellungsprozesse und Produkte zu entwickeln. Kaum verwunderlich also, dass derzeit zum einen der Bedarf an Ingenieuren und zum anderen an Informatikern wächst und in den kommenden Jahren anhalten wird. Darüber hinaus fordern und fördern einige der genannten Herausforderungen auch eine stetig wachsende Schnittstelle oder sogar teils Verschmelzung von IT- und Ingenieursdisziplin. Fachkräfte, die beide Welten bedienen können, machen sich daher besonders attraktiv.

Auch der letzte der drei großen Trends, der demographische Wandel, verstärkt den Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern in Bau, Architektur, Recycling, Energie- und Elektrotechnik. Bestrebungen, nicht nur Smart Home, Augmented und Virtual Reality sondern ganze Smart Cities mit Smart Grid und autonomem Fahren für uns zugänglich zu machen, führen somit zu neu gefragten Skills und ganz neuen Arbeitsplätzen in den Ingenieursdisziplinen. Dadurch wächst die Nachfrage nach Ingenieuren stetig.


 

 
Ingenieur-Fachkräfte werden speziell gesucht in folgenden Branchen:
  • im Bauingenieurwesen
  • in der Elektroindustrie
  • in der Automatisierungstechnik
  • in der Versorgungstechnik
  • im Maschinen- und Anlagenbau
  • in der Metall- und Schweißtechnik
 

 

 

Nachfrage am Arbeitsmarkt: Wie sieht es konkret aus?

Werfen wir einen Blick auf den aktuellen VDI-Ingenieurmonitor – erstellt vom Institut der deutschen Wirtschaft. Dieser verrät uns, dass im 3. Quartal 2021 mehr offene Stellen für Ingenieure sowie Informatiker ausgeschrieben wurden, als es im selben Quartal 2019 der Fall gewesen ist. In konkreten Zahlen stiegen die Gesuche von 128.900 in 2019 auf 132.000 in 2021. Auch die Anzahl der ausgeschriebenen Vakanzen auf 100 arbeitslose Ingenieure hat sich im Verhältnis zum Corona-Tief 2020 stark zugunsten der Jobsuchenden verschoben. Sie liegt bei 334 zu 100. Angesichts der smarten Trends und dem aktuellen Brückenbauboom sind Bau/Vermessung/Gebäudetechnik und Architektur sowie Energie- und Elektrotechnik die derzeit am stärksten nachgefragten Ingenieursdisziplinen – begleitet von Informatikerberufen. Bayern und Baden-Württemberg stellen dabei ein Drittel des Gesamtstellenangebots, gefolgt von NRW.

Auch der Fachkräfte-Index Engineering von Hays, der bestimmte Positionen und Branchen seit 2015 quartalsweise im Blick hält, zeigt für das 4. Quartal 2021 einen deutlichen Nachfragezuwachs an. Insgesamt waren im Vergleich zum selben Quartal 2018 fast ein Drittel mehr Stellen ausgeschrieben: ein Allzeit-Hoch für den Nachfrageindex. Besonders hoch scheinen die Bedarfe hierbei im Baugewerbe (+284% seit 2015), in der öffentlichen Verwaltung (+305%) und in der IT-Branche (+219) zu sein. Hiervon profitieren laut Hays insbesondere Bauingenieure (+323%), Automatisierungsingenieure (232%), Planungsingenieure (+223%), Elektroingenieure (+182%) und Chemieingenieure (+171%).

Ingenieurbedarf auch in Zukunft wachsend

Das speziell Elektro- und Bauingenieure aber auch Mechatroniker sowie Ingenieure aus dem Bereich Robotik und maschinelles Lernen in Deutschland gefragt sind, zeigt auch eine 2021 für Deutschland durchgeführte LinkedIn-Studie. Diese hat 12.708 ausgeschriebene Stellen auf LinkedIn allein für Mechatroniker verzeichnet. Auch in anderen europäischen Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien und Schweden ergaben sich zumindest für die Software-basierte Seite und das maschinelle Lernen ähnliche Ergebnisse. Darüber hinaus zeigen sich für Ingenieure aber auch interessante Möglichkeiten im Bereich Produktentwicklung.

Ein weiterer spannender Punkt des aktuellen VDI-Ingenieurmonitors zeigt sich in den Umfrageergebnissen zum Ingenieursbedarf. Aufgrund der aktuellen Altersstruktur und der geringeren Zuwanderung und Ausbildung von Ingenieuren wird ein „jährlicher demografischer Ersatzbedarf an MINT-Akademiker*innen [von] 6.600“ prognostiziert. Daraus resultiert eine reduzierte Anzahl erwerbstätiger Ingenieure, was die Arbeitsmarktsituation für die „verbliebenen“ Ingenieure zunehmend verbessert. Dies zeigt sich auch im Beschäftigungswachstum des letzten Jahrzehnts. Laut VDI nahm die Ingenieurs-Beschäftigung „in der Sparte Bau/Vermessung/Gebäudetechnik und Architektur mit 38,8% zu“.


 

 
Konkrete Nachfrage am Arbeitsmarkt im Q3 2021:
  • Informatikerberufe                                       46.000 offene Stellen (> als 2019)
  • Bauingenieurberufe                                     39.600 offene Stellen (> als 2019)
  • Energie- und Elektrotechnik                       17.700 offene Stellen (> als 2019)
  • Maschinen- und Fahrzeugtechnik              12.600 offene Stellen (aktuell noch < als 2019)

Größter Zuwachs vs. geringster Zuwachs an offenen Stellen: Q3 2021 zu Q3 2020

  • Technische Forschung und Produktionssteuerung           82,2%
  • Energie- und Elektrotechnik                                                 72,7%
  • Rohstofferzeugung und -gewinnung                                 12,0%
  • Metallverarbeitung                                                                 9,2%
 

 

 

Neue Berufsfelder und Skills für Ingenieure

Berufsbilder sind im Wandel, große Branchen wie Elektrotechnik, Maschinenbau und Automotive erfinden sich neu, weitere Zweige wie Robotik, Mikroelektronik und erneuerbare Energien kommen hinzu. Dank der drei großen eingangs erwähnten Trends und den daraus resultierenden Wünschen und Bedarfen entstehen für Ingenieure ganz neue Aufgabenfelder: von elektrischen Antrieben und neuen Energieversorgungsarten über Robotergestaltung bis hin zu Automatisierung und der Entwicklung kleinerer leistungsfähigerer Technik. Zunehmend verweben sich Ingenieursaufgaben auch mit Informatikkompetenzen. Künstliche Intelligenz zu entwickeln, zu implementieren und zu bauen, neue Software- oder Embedded-Lösungen bereitzustellen und Prozesse zu automatisieren, fällt daher immer häufig auch in den Aufgabenbereich von Ingenieuren.

Sei es in der Forschung und Entwicklung, in der Fabrikplanung, der Qualitätssicherung oder im Mitarbeitertraining. Die Ingenieurbranche wird in Zukunft Experten brauchen, die in vielen gesellschaftlichen Bereichen Prozesse digital planen, steuern und kontrollieren können.“, bringt es der Personaldienstleister Progressive Recruitment auf den Punkt. Daher wird es für Ingenieure umso entscheidender sein, nicht nur ein mathematisch-technisches Verständnis mitzubringen. Vielmehr gewinnt auch innovative Kreativität sowie empathisches und fachübergreifendes Denken an Bedeutung. Auch die Kompetenzen, sich schnell in neue Bereiche einarbeiten und flexibel auf neue Parameter reagieren zu können, entscheiden in Projekten schnell über Erfolg und Misserfolg.

Gewünschte Skills und der Wert von Weiterbildung

Beim Blick auf die neuen Berufsfelder wird klar, dass Ingenieure sich nicht mehr nur auf die typischen Ingenieur-Skills verlassen dürfen. Verstärkt rücken auch interdisziplinäre „Crossover“-Qualifikationen in den Vordergrund. Routinetätigkeiten werden dank Digitalisierung immer mehr durch neue Tätigkeiten – verstärkt mit IT-Komponente – ersetzt.

Besonders das agile Arbeiten entwickelt sich daher zu einer immer stärker nachgefragten Kompetenz am Ingenieurs-Arbeitsmarkt. Dies lässt sich aufgrund der größeren Schnittstelle zur IT erklären. Schließlich wird beispielsweise Scrum dort seit Jahrzehnten gelebt und fand hier seine Anfänge. Nun „[treiben auch Ingenieure] agiles Arbeiten voran [und] stehen im Mittelpunkt dieses Wandels in der Arbeitswelt.“, fasst der VDI treffend zusammen. Eine Qualifikation aus dem Bereich agile Methoden und Scrum kann daher den entscheidenden Schulterschluss von der klassischen Ingenieursarbeitsweise hin zur Schnittstelle IT bilden. Aber auch andere Weiterbildungen ergeben vor dem Hintergrund der zu bewältigenden Entwicklungsleistung und dem Boom aus unter anderem Klimaschutz, Bau, Mikroelektronik und Smart Home Sinn. Dazu zählen vor allem noch immer klassische Konstruktions- und Berechnungsweiterbildungen mit CAD und FEM, aber auch normengeprägte Weiterbildungen – teils mit agilen Ansätzen – wie Produktmanagement, Qualitätsmanagement (inklusive Agilem QM), Umweltmanagement oder Arbeitssicherheit.

Alles eine Frage der Perspektive und der passenden Kompetenz

Ingenieure sind heute noch genauso stark – teils sogar stärker – nachgefragt wie eh und je. Was sich jedoch verändert hat, sind die geforderten, beruflichen Kompetenzen und die Ausrichtung des Betätigungsfeldes. Waren es „früher“ beispielsweise die Maschinenbauingenieure, die extrem gesucht wurden, schauen sich Unternehmen heute vermehrt nach Ingenieuren aus den Bereichen Bau, Elektrotechnik und erneuerbare Energien um. Aufgrund einer zunehmenden Verschmelzung mit IT-Aufgaben werden Einsatzmöglichkeiten und Jobangebote für Ingenieure besonders breit und interessant, wenn sie ein Verständnis für Informatik und eine Affinität für agiles Arbeiten mitbringen.

Eine Weiterbildung kann hier der richtige Weg sein, erforderliche Skills aufzuholen. Sie kann dabei unterstützen, sich innovativen, neuen Branchen wie der Robotik oder auch neuen Berufsfeldern wie dem Embedded System Engineer zu nähern. Aber auch für neue Herausforderungen in klassischen Branchen, beispielsweise für den Klimaschutz, kann eine Weiterbildung das nötige Wissen bereithalten.

Vielleicht suchen auch Sie gerade eine neue Ausrichtung oder haben in einem neuen Feld Fuß gefasst? Erzählen Sie uns doch gerne in den Kommentaren mehr! Wir wünschen Ihnen in jedem Fall viel Erfolg für Ihre weitere berufliche Reise.


Disclaimer: Zugunsten der besseren Lesbarkeit wird speziell in diesem Artikel auf die zeitgleiche Verwendung der männlichen, weiblichen und diversen Form verzichtet. Die männliche Sprachform meint an dieser Stelle alle Geschlechter.


 


 

 

 

 

 

Dies ist der Karriereblog von LVQ.de. Unsere Artikel werden verfasst von unserem Redaktionsteam bestehend aus Angela Borin, Lars Hahn und Martin Salwiczek.

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Für Berufstätige bietet die LVQ Business Akademie entsprechende Weiterbildungen. Der Fokus liegt auf der Vermittlung fachspezifischer Themen aus dem gesetzlich geregelten Bereich. Inhouse-Seminare, Beratung und Schulungen für Unternehmen runden das Angebot der LVQ ab.

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