Die Lücke im Lebenslauf – Chance oder Herausforderung?

07.09.2023, Kay Pfefferkuchen

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Er ist wohl das erste, womit wir uns beschäftigen, wenn wir ins Berufsleben einsteigen oder uns beruflich verändern wollen (oder müssen): der Lebenslauf. Mit ihm verbunden sind viele Fragen – etwa nach der Aktualität oder ob die Darstellungsweise noch ‚State of the Art‘ ist. Was für die meisten außer Frage steht: Eine Lücke im Lebenslauf ist ungefähr so gern gesehen wie das sprichwörtliche Haar in der Suppe. Tatsächlich scheint ein lückenhafter Lebenslauf geradezu stigmatisiert. Aber ist ein Lebenslauf, der aus nahtlos aneinandergereihten Arbeitsverhältnissen, Aus- und Weiterbildungen besteht, in unserer heutigen volatilen Arbeitswelt überhaupt noch realistisch?

Während der Arbeit an diesem Artikel kehrten meine Gedanken immer wieder zu meiner Studienzeit zurück. Ich habe mein Studium durchaus abgeschlossen – mit einem sehr guten Notendurchschnitt und einer Abschlussarbeit, auf die ich auch Jahre später noch stolz bin –, allerdings habe ich dafür die doppelte Regelstudienzeit gebraucht. Bisher bin ich im beruflichen Kontext erst einmal auf diesem Umstand angesprochen worden – von einer Vorgesetzten, zu der ich, offen gestanden, ohnehin ein schwieriges Verhältnis hatte. Ansonsten war die Länge meines Studiums nie wirklich Thema. Tatsächlich tendiere ich, wenn ich so darüber nachdenke, dazu, von selbst auf diesen Umstand einzugehen. Ich schätze, die Tatsache, dass ich verhältnismäßig lange studiert habe, fühlt sich für mich bisweilen schon wie eine Lücke an. Etwas, das ich irgendwie begründen muss.

Du bist mehr als dein Lebenslauf

So lautet der inoffizielle LVQ-Slogan. Und daran glauben wir auch. Als Vorbereitung auf diesen Blogbeitrag habe ich mich mit diversen Kolleg*innen ausgetauscht, wobei mir und uns immer wieder bewusst wurde, wie zentral das Thema ‚Lücke im Lebenslauf‘ für unsere tägliche Arbeit ist.

Im Gespräch mit den Kolleg*innen, bei der Recherche im Web und beim Hineinhorchen in mich selbst kristallisierten sich schnell zwei Faktoren heraus, die immer wieder aufkamen:

  • Die Frage, ab wann eine Lücke als solche gilt und begründet werden sollte
  • Die Frage danach, wie wir selbst zur (vermeintlichen) Lücke stehen
     

Alles eine Frage der Zeit

Interessanterweise war jede meiner Ansprechpersonen anderer Auffassung darüber, ab wann eine Lücke im Lebenslauf überhaupt als solche gilt.

So sagte mir unsere Personalerin, Tina Peißig, dass sie zwei- bis dreimonatige Phasen der Umorientierung – etwa nach Beendigung des einen und vor Antritt des nächsten Beschäftigungsverhältnisses – für völlig legitim halte. Das heiße natürlich nicht, dass sie Bewerber*innen nicht darauf anspreche, sollten diese die Lücke nicht von sich aus begründen.

„Manchmal passt es einfach nicht und ein Arbeitsverhältnis wird beispielsweise in der Probezeit aufgelöst. Danach gilt es erst einmal, sich zu sammeln und die Fühler auszustrecken. Etwas Neues zu finden erfordert Zeit – und die braucht es auch, um Abstand zu dem zu gewinnen, was war, und allem Neuen gegenüber unvoreingenommen zu sein.“

Vor diesem Hintergrund rate sie übrigens davon ab, in einem Bewerbungsgespräch allzu viele Informationen preiszugeben. Wenn es zwischen Ihnen und Ihrem letzten Arbeitgeber nicht gepasst hat, dann sagen Sie das, aber halten Sie sich mit Details zurück. Sonst wirken Sie schnell wie jemand, der über ehemalige Vorgesetzte übers Leder zieht und das gilt nicht gerade als professionell (selbst wenn Sie im Recht sind).
„Auch was abgedroschene Floskeln angeht, sollte man sich zurückhalten. Für Jobsuchende mögen Äußerungen à la: Ja, ich hab ‘ne Lücke im Lebenslauf – war geil! oder Während mein*e Partner*in arbeiten geht, manage ich zu Hause ein kleines Familienunternehmen! ja lustig sein. Aber für Personaler*innen werden solche Sprüche schnell alt.“ Kommen Sie also besser gleich zur Begründung der Lücke.

Meine Kollegin Lena Thiessen sieht es noch etwas gelassener. Sie betrachte eine Phase unter sechs Monaten gar nicht als Lücke, was sicher auch damit zusammenhängt, dass sie oft Menschen berät, die erschwerte Bedingungen bei der Jobsuche haben, weil sie sich beruflich neu orientieren möchten oder gesundheitsbedingt längere Zeit ausgefallen sind. Auch sie rät zu Offenheit und Ehrlichkeit.

„Teilweise geben Menschen an, in den ein bis zwei Jahren, die sie etwa krankheitsbedingt ausgefallen sind, ein Sabbatical oder Sabbatjahr gemacht zu haben. Davon würde ich aber abraten, da beim Sabbatjahr immer noch ein Angestelltenverhältnis vorliegt.“

Sprich, sobald Personaler*innen mehr darüber erfahren möchten, wird das Eis dünn.
Sollte Ihr Lebenslauf also aufgrund von Krankheit tatsächlich längere Lücken aufweisen, versuchen Sie nicht, diese zu verschleiern, sondern verleihen Sie dem vermeintlichen Makel etwas Positives: Auszeit aus gesundheitlichen Gründen, inzwischen vollständig genesen und voller Tatendrang.

Das deckt sich übrigens auch mit einer Studie, die das Jobportal Stepstone im Jahr 2018 veröffentlicht hat. Darin wurde mittels Eyetracking gemessen, wie Personalverantwortliche Bewerbungen lesen und welchen Aspekten sie besondere Aufmerksamkeit schenken. Für immerhin 92 Prozent(!) der Befragten seien Lücken im Lebenslauf kein Ausschlusskriterium. Auf die Begründung komme es an.

Mut zur Lücke

Natürlich habe ich mir auch mit meinem Autor-Kollegen Martin Salwiczek ausgetauscht. Als Karriere-Coach hat er oft mit sogenannten Mosaik-Lebensläufen zu tun. Er ist überzeugt:

„Die Fixierung auf die Lücke im Lebenslauf und die Überzeugung, diese rechtfertigen zu müssen, geht häufig mit einem defizitorientierten Mindset einher. Dabei ist diese Herangehensweise in der heutigen Arbeitswelt überholt. Früher war der Arbeitsmarkt, war die Arbeitswelt unterm Strich strukturierter. Das gestaltet sich heute viel volatiler; Veränderung gehört praktisch zum Berufsalltag dazu, was uns ein nicht unwesentliches Maß an Flexibilität abverlangt.“

Neulich hörte ich eine Folge des beliebten SWR3-Podcasts ‚Der Gangster, der Junkie und die Hure‘. Darin sagt Karriere-Coach Dr. Bernd Slaghuis, den wir schon für unseren Blog interviewen durften, etwas, das ich gern mit Ihnen teilen möchte: „Wenn du mit deinem Lebenslauf – mit dem Lauf deines Lebens – im Reinen bist, kannst du das jedem da draußen verkaufen.“

Persoblogger Stefan Scheller geht sogar noch einen Schritt weiter. Für ihn kann die Lücke im Lebenslauf sogar neugierig machen: „Spannend ist ja nicht nur, was im Lebenslauf geschrieben wird. Viel spannender ist für viele Personalverantwortliche das, was nicht mit aufgenommen wurde […] Kurzum: Manch eine ungeplante Lücke war für die Kompetenz und die Persönlichkeit eines Menschen sogar deutlich hilfreicher als ein vermeintlich ‚straighter‘ Lebenslauf.“

Eine Lücke ist nur, was Sie nicht begründen (können)

Nachdem wir oben bereits auf die durch Krankheit bedingte Lücke eingegangen sind, möchte ich Ihnen abschließend noch einige Beispiele geben, wie Sie mit einer Lücke im Lebenslauf umgehen können:

  • Pflege eines/einer Angehörigen
    • Bedarf ein*e Angehörige*r Ihrer Pflege, sollten Sie das auch so angeben. Im Idealfall bleiben Sie während dieser Zeit auf dem Laufenden, was Ihr Tätigkeitsfeld angeht:
    • Pflege des schwer erkrankten Vaters, gleichzeitige Lektüre aktueller Fachliteratur
  • Coronabedingter Jobverlust
    • Die Pandemie hat den Arbeitsmarkt nachhaltig auf den Kopf gestellt. Nicht wenige haben zwischen Frühjahr 2020 und Ende 2022 ihren Job verloren. Sollten auch Sie dazugehören, könnten Sie die Lücke im Lebenslauf wie folgt begründen:
    • Coronabedingter Stellenabbau
  • Wechsel des Studiengangs und resultierende Verzögerung des Berufseinstiegs
    • Prinzipiell sollten Sie immer versuchen, einer Tätigkeit nachzugehen oder diese zu forcieren, statt eine Lücke entstehen zu lassen. So könnten Sie etwa ein Ehrenamt ausüben und das im Lebenslaus wie folgt angeben:
    • Studium der X, gleichzeitig ehrenamtliches Engagement in/bei Y
  • Jobwechsel
    • Phasen der Umorientierung gehören, wie oben beschrieben, zum Arbeitsleben dazu. Das heißt aber nicht, dass man sie nicht sinnvoll füllen kann – etwa mit einer Weiterbildung. Falls nicht schon vorhanden, ergänzen Sie in Ihrem Lebenslauf am besten eine Rubrik mit dem Titel ‚Aktuelles‘ oder ‚Aktuell …‘. Das könnte dann so aussehen:
    • Aktuell … befinde ich mich in Weiterbildung zum Social-Media- und Online-Marketing-Manager sowie Online-Redakteur.
  • Unser Tipp: Seien Sie auch auf XING und LinkedIn offen
    • Wenn Sie gerade nicht für ein bestimmtes Unternehmen arbeiten, können Sie dieses natürlich auch nicht in Ihrem XING- beziehungsweise LinkedIn-Profil angeben. Hier einige Alternativen, mit denen Sie vielleicht sogar Personaler*innen auf sich aufmerksam machen:

Bei LinkedIn können Sie auch eine berufliche Auszeit hinzufügen, wobei die Plattform Ihnen sogar Formulierungsbeispiele an die Hand gibt.

Die Zeit zwischen zwei Jobs ist ideal, um sich weiterzubilden. So überbrücken Sie nicht nur die Zeit zwischen dem letzten und dem nächsten Arbeitsverhältnis; bisweilen können Sie sich völlig neue Tätigkeitsfelder erschließen. Ein gutes Beispiel ist unsere Ehemalige Monika Thiede: Nach immerhin 20 Jahren(!) Elternzeit nutzte sie das Angebot geförderter Weiterbildung, um den Quereinstieg in eine fachfremde Branche zu wagen. Und das mit Erfolg!

Na, würden Sie immer noch sagen, dass Lücken im Lebenslauf etwas Schlimmes sind?


 


 

 

 

 

 

Dies ist der Karriereblog von LVQ.de. Unsere Artikel werden verfasst von unserem Redaktionsteam bestehend aus Martin Salwiczek, Lars Hahn und Kay Pfefferkuchen.

Die LVQ Weiterbildung und Beratung GmbH bietet Weiterbildungen für Fach- und Führungskräfte und Akademiker. Unser Vollzeitangebot mit anerkannten Abschlüssen kann zum Beispiel über den Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit gefördert werden. Besonderes Augenmerk legen wir auf Online-Präsenzunterricht mit Dozent*innen aus der beruflichen Praxis und der weiterbildungsbegleitenden Unterstützung bei der Jobsuche.

Für Berufstätige bietet die LVQ Business Akademie entsprechende Weiterbildungen. Der Fokus liegt auf der Vermittlung fachspezifischer Themen aus dem gesetzlich geregelten Bereich. Inhouse-Seminare, Beratung und Schulungen für Unternehmen runden das Angebot der LVQ ab.

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Kay Pfefferkuchen

unterstützt uns als inoffizieller Content-Manager und ‚Mr. Podcast‘ in der Online-Kommunikation.
Nach seinem Studium der Anglistik und Germanistik schnupperte er sowohl Agentur- als auch Behördenluft und eignete sich Wissen als Online-Redakteur, -Marketer und Social-Media-Manager an.
Schreibt hier zu den Themen Jobsuche, Berufseinstieg und Digitales.