Weshalb eine Weiterbildung oft besser ist als eine Kündigung. #GreatResignation

17.02.2022, Lars Hahn

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Haben Sie schon Ihren Job gekündigt? Oder denken Sie derzeit darüber nach? Dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Den medialen Signalen zufolge werden nun auch deutsche Unternehmen von einer großen Kündigungswelle heimgesucht. Schon im vergangenen Jahr sprachen die US-Amerikaner von der „Great Resignation“: Millionen Beschäftigte kündigten von sich aus ihre Jobs. Nun also scheint die „Great Resignation“ auch in Deutschland angekommen zu sein, wenigstens in Fachdiskussionen, wie hier im NWX-Magazin, im Human Resources Manager oder beim Persoblogger. Und tatsächlich scheint sich das auch in Zahlen anzudeuten. Einer aktuellen Forsa-Studie im Auftrag von XING zufolge scheint nach einer eher trägen Zeit in den vergangenen zwei Jahren der Pandemie die Wechselwilligkeit auch in Deutschland anzusteigen, nämlich um 12 Prozent auf 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mehr als ein Drittel der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken also akut über einen Jobwechsel nach.

Doch muss es immer direkt die Kündigung sein? Die Verbesserung der Arbeitssituation und Zukunftsperspektiven im aktuellen Unternehmen können eine Alternative zur Kündigung ins Blaue sein. Wie das funktionieren und wie eine Weiterbildung dabei helfen kann, beschreibe ich in diesem Beitrag.

Kündigen ohne Sicherheitsnetz?

Auch wenn 37 Prozent der Deutschen darüber nachdenken, ihren Job zu verlassen, getan haben es während der Pandemiephase nur 10 Prozent. Bei über 33 Millionen Angestellten sind das immerhin über drei Millionen Kündigungen. Gemäß Forsa-Studie haben von diesen 3 Millionen Menschen immerhin 25 %, also mal eben schlappe 750.000 Menschen jährlich (!), den Job beendet, ohne eine neue Stelle in petto zu haben.

In Zeiten von Fachkräfteknappheit und dem Kampf um Talente verwunderlich, dass Unternehmen das zulassen. Denn scheiden gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus, kostet das die Unternehmen oft viel Geld. War die Fluktuationsrate in Unternehmen während der Pandemie merklich gesunken, steigt sie nun wieder, insbesondere auch durch die arbeitnehmerseitigen Kündigungen.

Warum Menschen ihre „sichere“ Arbeit kündigen

Es gibt sehr unterschiedliche Motive, weshalb Menschen mit dem Gedanken spielen, zu wechseln. Nach einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft ist für Beschäftigte „Gehalt der wichtigste Wechselgrund (49%), gefolgt von Karrieremöglichkeiten (43%). Dabei ist auch das Betriebsklima mit 38 Prozent ein wichtiges Motiv“ über den Jobwechsel nachzudenken.

Wenn es dann aber um die Gründe für eine tatsächlich erfolgte Kündigung geht, waren es laut Forsa-Studie:

  • schlechte Führung (28 Prozent),
  • Work-Life-Balance (27 Prozent) oder
  • Unzufriedenheit hinsichtlich der Tätigkeiten (24 Prozent).

„Finanzielle Motive spielen beim tatsächlichen Jobwechsel mit 19 Prozent eher eine nachgelagerte Rolle“, wie auch die Abbildung von XING E-Recruiting verdeutlicht:

Natürlich haben Sie eventuell einige gute Gründe dafür, das bestehende Arbeitsverhältnis ohne anschließenden Job zu kündigen. Besonders Akademikerinnen und Akademiker kündigen laut einer Rundstedt-Studie beispielsweise „wenn die Chemie nicht stimmt“, wenn keine „konstruktive Feedback-Kultur herrscht“ oder wenn „Stress und Leistungsdruck zu hoch“ seien. Karrierecoach Bernd Slaghuis identifiziert noch andere Kündigungsgründe wie u. a. Unterforderung oder Langeweile im aktuellen Job oder mangelnde Perspektiven beim aktuellen Arbeitgeber. Spätestens wenn aber Ihre Gesundheit unter dem Job sichtbar leidet, ist eine sofortige, arbeitnehmerseitige Kündigung als entgegenwirkende Maßnahme durchaus gerechtfertigt. Dies unterstreichen auch die 10 Gründe für eine sofortige Kündigung des Karriereportals Arbeitsabc.

Alternativen zur Kündigung finden

Es lohnt sich allerdings, vor einem endgültigen Abschied vom Arbeitgeber zu prüfen, ob eine Trennung wirklich unumgänglich ist. Nicht nur für Unternehmen stellt eine Kündigung guter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft ein Problem dar, auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer birgt eine Kündigung letztlich ein Risiko. Wer noch keine neue Stelle hat, muss sich auf dem Arbeitsmarkt bewähren und beweisen. Es besteht überdies ein Risiko, bei der Auswahl des neuen Arbeitgebers daneben zu greifen. Schlimmstenfalls landen Sie beim Arbeitgeberwechsel vom Regen in der Traufe. Karrierecoach Bernd Slaghuis rät in seinem Beitrag über die aktuelle Kündigungswelle dazu, nochmal in sich zu gehen und nicht voreilig zu handeln: „Es ist wichtig, dass Sie jetzt nicht zu hastig vorschnell auf einen Kündigungstrend aufspringen. Denn die Gefahr von Wellen ist groß, sich allzu leicht mitreißen zu lassen und orientierungslos im Strudel unterzugehen.

Klar ist jedoch: Wenn das Porzellan zerschlagen ist und die Chemie mit Chefin, Chef, Kolleginnen und Kollegen nicht mehr stimmt, mag eine Kündigung unausweichlich sein. Gleiches gilt, wenn die Identifikation mit der gesamten Unternehmenskultur, den Werten oder gar den Produkten des Arbeitgebers einfach nicht mehr funktioniert. Dann nützt oft nur die Reißleine. Wären Ihre Kündigungsmotive allerdings eher tätigkeitsbedingt (laut XING-Abbildung immerhin bei 24 Prozent), wäre die aktuelle Position schlichtweg (noch) nicht attraktiv genug, sind die Menschen in Ihrem aktuellen Betrieb eigentlich ganz sympathisch und auch die grundlegende Kultur im Haus verursacht Ihnen keine Bauchschmerzen, könnte es sich lohnen, wenn Sie darüber nachdenken, ob es Alternativen zur Kündigung gibt.

Job Crafting – selbst neue Perspektiven schaffen

Was können Sie also tun, wenn Sie sich im richtigen Unternehmen nur am falschen Platz fühlen? Sei es aus Unterforderung, Überforderung, Langeweile oder unpassenden oder falschen Tätigkeiten? Sie arbeiten bereits für Ihr Unternehmen und können ein gewisses Maß an Einfluss auf Ihre Stelle und Ihre Aufgabenbereiche nehmen. Dies unterstreicht auch HR-Experte Dr. Nico Rose. Er nennt das Prinzip der aktiven und initiativen Gestaltung der eigenen Arbeitsbedingungen Job Crafting. Dieser Ansatz, schreibt er, gehe davon aus, dass „Menschen prinzipiell die Möglichkeit haben, aus dem Job, den sie haben, jenen zu machen, den sie wirklich, wirklich wollen“. Karriereberaterin Ragnhild Struss betont in Bezug auf Job Crafting, „dass es immer möglich ist, kleine Anpassungen am eigenen Job vorzunehmen – mit dem Ziel, Arbeit optimal auf die eigenen Stärken abzustimmen, Zufriedenheit und Motivation zu steigern und so letztendlich auch dem Unternehmensziel zu dienen“.

Dabei können Sie Job Crafting im Alltag umsetzen, indem Sie Beziehungen knüpfen, neue Aufgaben annehmen, sich in neue Teams einbringen oder Ihre Rahmenbedingungen wie Arbeitszeiten und -ort optimieren. Viele Menschen machen das intuitiv, weil sie nach Aufgaben suchen, die ihnen Freude machen. Wenn Sie selbstverantwortlich Ihre Arbeitszufriedenheit in die Hand nehmen wollen, lohnt es sich die beiden vertiefenden Beiträge von Nico Rose und Ragnhild Struss über Job Crafting zu lesen.

Weiterbildung als Schlüssel für geplantes Job Crafting

Job Crafting kann bisweilen sogar geplant und mit der betrieblichen Personalentwicklung abgestimmt laufen. So lohnt sich ein Gespräch mit der Teamleitung, der Abteilungsleitung oder der personalverantwortlichen Person, wenn Sie unzufrieden sind mit Aufgabenbereich und Tätigkeiten, wenn Überforderung, Unterforderung, Langeweile oder Routine die Arbeitszufriedenheit untergräbt und Sie neue Aufgaben übernehmen und Ihre beruflichen Wünsche gezielt verfolgen möchten.

Eine idealerweise durch den Arbeitgeber unterstützte Weiterbildung kann da wie ein Booster wirken. In einem konzentrierten und organisierten Lernprozess können oft viel schneller neue Inhalte und Kompetenzen erworben werden als über Jahre hinweg im Eigenstudium „on the job“. Diese Qualifikationen können dann im beruflichen Alltag effizienter vertieft und ausgebaut werden.

Per Weiterbildung zur Arbeitszufriedenheit

Die Spannbreite der Weiterbildungsmöglichkeiten ist dabei groß: Von überschaubaren Learn-Nuggets per Video, zum Beispiel bei Linkedin-Learning oder Coursera, bis hin zu institutionalisierten Weiterbildungen mit gesetzlich anerkanntem Abschluss, TÜV-, IHK- oder Scrum-Zertifikat. Wie eine Weiterbildung Sie dabei unterstützen kann, sich Ihren passenden Job zu craften, zeigen zwei reale Beispiele aus unserem LVQ-Alltag (Namen geändert):

Bernhard beriet seit einigen Jahren mittelständische Kunden bei der Azubigewinnung und war frustriert wegen der herkömmlichen Methoden. Er erhielt von seiner Personalleitung die Chance berufsbegleitend eine Weiterbildung zum Social-Media-Manager (IHK) zu absolvieren. Anschließend peppte er seinen routinierten Beratungsalltag mit seinem neuen Wissen auf: Er wurde in seinem Team zum Experten für Azubi-Gewinnung per Social Media.

Melanie arbeitete nach langer Familienphase als Bürokraft in einem Ingenieurbüro. Dabei kamen ihr das ursprüngliche Studium als Ingenieurin und ihre Kommunikationsfähigkeiten zugute. Allerdings fühlte sie sich als „bessere Telefonistin“ unterfordert. Gemeinsam mit ihrem Chef erarbeitete sie den Plan, sich mithilfe einer Weiterbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit für die Kundenbetreuung in diesem Gebiet fit zu machen. Heute betreut Melanie einige ihrer Kunden aus genau dieser Position: der Fachkraft für Arbeitssicherheit.

Während das erste Beispiel belegt, wie eine Weiterbildung die bisherige Tätigkeit attraktiver für alle machen kann, geht es im zweiten Beispiel um einen völlig neuen Aufgabenbereich. Beide Alumni hatten den Mut, beim aktuellen Arbeitgeber auf Veränderung und auf neue Perspektiven zu drängen. Dadurch konnten sie die neu erworbenen Kenntnisse in den Job einbringen und sich dazu passende Aufgaben schaffen. Gewissermaßen kann dies als Job Crafting durch Weiterbildung in Absprache mit dem Arbeitgeber betitelt werden.

Job Crafting und Personalentwicklung Hand in Hand

Denn Arbeitgeber sollten ein originäres Interesse daran haben, dass sich ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterentwickeln und dadurch ihre Perspektiven verbessern und Arbeitszufriedenheit erhöhen. In manch größeren Unternehmen gibt es dafür eine gezielte Personalentwicklung. Oft werden dort auf viele Jahre angelegte Karrierepläne im Haus geschmiedet, mit vielen Optionen für Weiterbildung oder gar Studium. In kleinen und mittleren Unternehmen läuft Personalentwicklung hingegen manchmal erst auf Nachfrage durch interessierte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter.

Wenn Sie mit den Aufgaben und Tätigkeiten im Betrieb unzufrieden sind, muss also nicht immer gleich eine Kündigung her. Es lohnt sich, aktiv auf Verantwortliche im Betrieb zuzugehen und über neue Perspektiven und Möglichkeiten zu reden. Dann gehen Job Crafting und Personalentwicklung im Idealfall Hand in Hand.

Weiterbildungsförderung für Arbeitgeber

Übrigens sind die beiden oben beschriebenen Beispiele von mir hier gezielt gewählt worden, denn in beiden Fällen wurden die Arbeitgeber durch die Qualifizierungsoffensive der Bundesagentur für Arbeit, die besonders kleine und mittlere Unternehmen anspricht, gefördert. Passende Weiterbildungen, wie der genannte „Social-Media-Manager (IHK)“ und die „Fachkraft für Arbeitssicherheit“ fördert dieses Programm bei kleinen Unternehmen gar bis zu 100 Prozent. Bisweilen sind solche Finanzspritzen für die Weiterbildung gute Argumente im Gespräch zur eigenen Personalentwicklung. Job Crafting per Bildungsgutschein: Das funktioniert.

P.S.: Die LVQ beteiligt sich aktiv an der aktuellen Weiterbildungsoffensive Ruhr 2022. Die #WeiterbildungRuhr22 ruft mit einer Kampagne und vielen Aktivitäten zu neuen Perspektiven durch Weiterbildung auf – passend zu diesem Beitrag. Das Motto der Weiterbildungsoffensive Ruhr 2022 lautet daher „Du kannst mehr!“.

P.P.S: Wenn trotz aller Bemühungen am Ende die Kündigung in die Arbeitslosigkeit erfolgt, kann eine Weiterbildung zwischen zwei Jobs neue Perspektiven ermöglichen. Auch hier kann die Qualifizierung zu 100 Prozent durch den Bildungsgutschein der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden.


 


 

 

 

 

 

Dies ist der Karriereblog von LVQ.de. Unsere Artikel werden verfasst von unserem Redaktionsteam bestehend aus Angela Borin, Lars Hahn und Martin Salwiczek.

Die LVQ Weiterbildung gGmbH bietet Weiterbildungen für Fach- und Führungskräfte und Akademiker. Unser Vollzeitangebot mit anerkannten Abschlüssen kann zum Beispiel über den Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit gefördert werden. Besonderes Augenmerk legen wir auf Präsenzunterricht mit Dozenten aus der beruflichen Praxis und der weiterbildungsbegleitenden Unterstützung bei der Jobsuche.

Für Berufstätige bietet die LVQ Business Akademie entsprechende Weiterbildungen. Der Fokus liegt auf der Vermittlung fachspezifischer Themen aus dem gesetzlich geregelten Bereich. Inhouse-Seminare, Beratung und Schulungen für Unternehmen runden das Angebot der LVQ ab.

Wenn Sie Fragen zu unserem Angebot oder Interesse an einer Beratung haben, rufen Sie uns einfach an!

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