Ursprünglicher Beitrag vom 10.02.2022
Stell dir vor, du würdest dich jeden Morgen beim Aufstehen auf die Arbeit freuen. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Vielleicht, aber der Schlüssel dazu liegt näher, als du denkst – in deinen persönlichen Werten.
Unsere Werte beeinflussen unser Handeln und definieren, in was wir unsere Energie und Zeit investieren. Das gilt sowohl für unser Privatleben als auch für unsere berufliche Laufbahn. Während im beruflichen Kontext lange das Streben nach Optimierung von Gehalt, Titel und Aufgabenbereich im Vordergrund stand, erleben wir heute einen Wertewandel. Immer mehr Menschen suchen nach einem Sinn in ihrer Arbeit. Wenn du dich mit deinem Beruf oder deinem Arbeitgeber nicht identifizieren kannst, führt das oft zu beruflicher Unzufriedenheit. Vielleicht hast du das auch schon selbst erlebt. Aber weißt du wirklich, welche Werte dir am wichtigsten sind? Vielleicht denkst du gerade auch drüber nach, welche Werte dir lange wichtig waren und fragst dich, ob sie es noch sind.
In diesem Beitrag geben wir dir Impulse, wie du deine wichtigsten berufsbezogenen Werte finden und die Ergebnisse für deine nächsten beruflichen Schritte nutzen kannst. Welche Zeit eignet sich besser für Reflexion als jetzt?
Karriere trifft Sinn – was sich Fachkräfte von ihren Arbeitgebern wünschen
„Wir stehen vor einem radikalen Wandel der Arbeitswelt“ – so lautet die Eingangsthese der embrace-Studie ‚Karriere trifft Sinn‘. Zwar wurde die Studie bereits 2015 durchgeführt und richtet sich nach den Bedürfnissen junger Fachkräfte. Doch einige der Ergebnisse finden wir bei vielen Menschen im beruflichen Veränderungsprozess wieder. Ob Berufseinsteiger*in oder erfahrene Fachkraft, viele eint der Wunsch nach
- Unternehmen, die zu ihren Wertevorstellungen passen
- ethischem Verhalten statt mehr Geld
- mehr Work-Life-Balance und selbstbestimmtem Arbeiten
- einem Job, der zur eigenen Lebenssituation passt
Kollege und LVQ-Geschäftsführer Lars Hahn sieht die die „Jobsuche mit Sinn“ sogar als einen der zentralen Karrieretrends:
„Die Bedeutung von persönlichen Werten, Sinn und Zweck der Arbeit hat zugenommen. Ganz gleich ob in den vielen Beratungen mit unseren Teilnehmenden, die sich gerade zwischen zwei Jobs befinden, oder im Gespräch auf Karrieretagen: Überall dort, wo sich Menschen akut mit ihrer beruflichen Zukunft befassen, steht heute die Frage nach dem Sinn oft noch vor Themen wie Gehalt und Benefits und sogar vor der Sicherheit des Arbeitsplatzes.“
Solltest du dir in deinem Beruf also aktuell die Sinnfrage stellen, stehst du damit nicht allein da.
Krisen als Auslöser für Wertewandel
2022 bekam die Entwicklung einer stärkeren Wertezentrierung noch mal einen Schub. Karriereexperte Dr. Bernd Slaghuis sah einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Sinnfrage und der Corona-Krise und schrieb in seinem Blogbeitrag Kündigungswelle: Warum so viele Job-Gefrustete jetzt den Wechsel planen:
„Die Krise hat unser aller Wertebewusstsein verändert. Was zählt wirklich im Leben? Wie viel Zeit möchte ich in einem Job verbringen und wie viel Lebenszeit verbleibt für mich und die Familie? Wie wichtig sind Erfolg, Geld, Status und Einfluss – im Vergleich zu Zufriedenheit, Freude und Erfüllung im Beruf?“
Doch es müssen keine universellen Ereignisse wie die Corona-Krise sein, die einen Wertewandel auslösen. Meist reichen dazu schon persönliche Krisenerlebnisse. LVQ-Absolventin Anja Gellert wechselte aus eigenen Antrieb von einer Führungsposition im Automotive-Bereich in eine Sachbearbeiter-Funktion. Downshifting nennt sich das. Was führte sie zu diesem Schritt?
Im Interview mit uns schildert sie, dass sie in ihrem Beruf einem hohen Druck ausgesetzt war. Als sie dann noch einen privaten Schicksalsschlag erlebte, wurde ihr bewusst, dass es so nicht weitergehen konnte. Die Priorität ihrer Werte veränderte sich: von Erfolg, Verantwortung, Anerkennung hin zu Freiheit, Gesundheit, Autonomie. „Mehr Leben“, wie sie sagt.
Krisen lösen häufig einen Wertewandel aus. Besser wäre es natürlich, erst gar nicht in die Krise zu kommen. Solltest du mit deiner privaten oder beruflichen Situation unzufrieden sein, ist dies vielleicht ein guter Zeitpunkt, die eigenen Werte auf den Prüfstand zu stellen. Und wenn du gerade arbeitssuchend bist, sorgt ein Bewusstsein für die eigenen Werte für Klarheit bei der Berufsorientierung und Jobsuche. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.
Aber woher weißt du eigentlich, welche Werte dir am wichtigsten sind?
Die eigenen Werte ermitteln – ein kurzer Erfahrungsbericht mit dem Werte-Test
Im Zuge der Recherche für diesen Beitrag habe ich in einguterplan.de eine sehr hilfreiche Webseite gefunden. Diese enthält eine ideale Anleitung zur Ermittlung der eigenen Werte mit Zettel und Stift, bietet aber auch einen Online-Test, der circa 10 Minuten dauert. Erstmals machte ich diesen Test im Februar 2022. Gute zweieinhalb Jahre später mache ich den Test für diesen aktualisierten Artikel ein zweites Mal. Ich bin sehr gespannt, was sich in dieser Zeitspanne verändert hat.
Im ersten Schritt des Online-Tests wird mir eine Reihe von Werten angezeigt. Zwischen persönlichen und beruflichen Werten wird nicht unterschieden. Ich setze meinen Fokus für diesen Beitrag auf Werte, die mir im beruflichen Kontext besonders wichtig sind, und wähle entsprechend 12 aus.
Hier kann ich dir wirklich empfehlen, dir Zeit zu nehmen. Klar sollst du auf dein Bauchgefühl hören. Ich selber aber ertappe mich dabei, dass ich einen Wert als ‚mir zugehörig‘ empfinde und automatisch anklicke. Setze ich mich jedoch intensiver mit anderen Werten auseinander, die vorher so nicht in meinem Fokus standen – stelle ich mir vor, wie es wäre, diese Werte mehr zu leben –, verändert sich bei einigen die Bedeutung und es macht sich tatsächlich ein warmes Gefühl im Magen breit.
Im zweiten Schritt priorisiere ich meine ausgewählten Werte, indem ich jeweils einen von zwei gegenübergestellten Werten als bedeutsamer kennzeichne. Das dauert etwas, lohnt sich aber:
Bei einigen Werten fällt mir die Priorisierung schwer, da ich immer wieder den privaten Kontext im Hinterkopf habe. Ich stelle fest, dass sich meine Werteskala verändert, wenn ich Privat- und Arbeitsleben gegenüberstelle. Also besinne ich mich immer wieder auf den beruflichen Kontext, indem ich mir überlege, was schwerer wiegen würde, wenn einer der entsprechenden Werte nicht vorhanden wäre, und welcher Wert mich aktuell viel beschäftigt. Es kommen Erinnerungen aus meinem Berufsleben hoch, die bei der Priorisierung hilfreich sind. Dabei mache ich mich komplett frei vom Ergebnis meines letzten Tests. Abschließend werden mir meine drei wichtigsten Werte angezeigt:
Tatsächlich ist nur noch ein Wert unter den Top 3, der auch beim letzten Test dabei war: Gesundheit. Zwar steht er nicht mehr auf Platz 1, ist aber gleichauf mit Wohlstand. Dieser Wert war beim letzten Mal nicht dabei. Nun, mit (fast) Mitte 40 mache ich mir tatsächlich mehr Gedanken darüber, wie ich mein Leben nach der Arbeit absichern möchte.
Was mich überrascht, ist, dass Freiheit an erster Stelle steht. Ich habe einen tollen Job, in dem ich mich inhaltlich frei entfalten kann. Anscheinend weiß ich das aktuell besonders stark zu schätzen.
Ich bin überrascht, dass sich in circa 30 Monaten gleich zwei von drei Werten geändert haben. Dies scheint einfach die Dynamik unseres Lebens zu sein.
Motivation und Arbeitshaltung mit dem New Plan der Bundesagentur für Arbeit ergründen
Ein zweites Tool, auf das ich während meiner Recherche gestoßen bin, ist der New Plan, das berufliche Erkundungstool der Bundesagentur für Arbeit.
Hier geht es nicht um die Ermittlung von Werten, sondern von Soft Skills. Aspekte wie ‚Motivation‘ oder ‚Arbeitshaltung‘ lassen jedoch Rückschlüsse auf Werte zu. So ergänzen sich der gute Plan und der neue Plan sehr gut bei der Perspektivfindung und Erarbeitung meiner beruflichen Werte.
Mit ‚New Plan‘ arbeite ich sechs Dimensionen meiner Soft Skills heraus, die mir als Ergebnis berufliche Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. Im Vergleich zu anderen Tools geht der ‚New Plan‘ tiefer und gibt mir nach etwa 45 Minuten Testdauer einen guten Überblick, welche beruflichen Perspektiven zu meinen Werten passen.
Folgende berufliche Perspektiven werden mir aufgezeigt:
- Nachwuchskräfte ausbilden
- Trainings vorbereiten und durchführen
- Kundschaft betreuen
- Menschen/Unternehmen beraten
- Produkte/Dienstleistungen vertreiben
Hier hat sich bei mir im Vergleich zum letzten Test vor zweieinhalb Jahren nichts geändert. Im Gegensatz zu den Werten sind unsere Soft Skills recht konsistent.
Passenderweise sind alle Perspektiven Teil meines aktuellen Jobs. Bis auf einen: Nachwuchskräfte ausbilden. Dies könnte ein Aufgabenbereich sein, den ich in meinem nächsten beruflichen Entwicklungsschritt angehen könnte und der mir mit Sicherheit Spaß machen würde.
Wie sieht es bei dir aus? Haben deine Werte genug Raum in deinem Job? Siehst du berufliche Perspektiven? Wenn nicht, was kannst du ändern?
Wie findest du den Arbeitgeber, der zu deinen Werten passt?
Stimmen die eigenen Werte nicht (mehr) mit dem Job oder dem Arbeitgeber überein, führt dies zu Unzufriedenheit. Umso mehr, wenn sich daran nichts ändern lässt. Dann ist es an der Zeit, über einen Jobwechsel nachzudenken. Ob aus eigener Entscheidung oder aufgrund äußerer Umstände: Für die Jobsuche und Bewerbungsphase wirken die bewusstgewordenen Werte wie ein Kompass. Die Kunst besteht darin, das passende Unternehmen zu finden. Hierzu vier Impulse:
1) Überprüfe die Stellenanzeige und die Website des Unternehmens
Einiges kannst du bereits aus Stellenanzeigen herauslesen. Hinter Formulierungen wie „traditionell“, „Hands-on-Mentalität“ oder „familiäre Atmosphäre“ stecken oft klare Werte. Wie ist die Tonalität der Anzeige? Wird geduzt oder gesiezt? Was wird von dir erwartet und was wird dir geboten?
Etwas konkreter wird es durch den Blick auf die Unternehmenswebsite, speziell den Karriereteil: Hier bekommst du meist schon ein sehr genaues Bild. Vor allem der Blick auf die Mission, Vision oder das Leitbild lohnt sich, sofern vorhanden.
Mittlerweile bieten einige Unternehmen sogar einen sogenannten ‚Cultural Fit Evaluator‘ an, mit dem du über einen Online-Test abgleichen kannst, wie gut deine Werte mit denen des Unternehmens zusammenpassen. Ein Beispiel findest du auf der Karriereseite der Kindernothilfe. Auf diesen Test bin ich durch eine ehemalige LVQ-Teilnehmerin gestoßen, die im Marketing der Kindernothilfe arbeitet.
Es ist nicht nötig, sich zu bewerben, um den Test zu machen, also habe ich ihn ausprobiert. Ich erhielt eine ausführliche Auswertung meiner kulturellen Passung mit der Kindernothilfe. Darüber hinaus wurden mir auch diejenigen Werte angezeigt, die bei mir besonders hoch angesiedelt sind. In diesem Fall Zugehörigkeit, Nachhaltigkeit und Gemeinschaft. Der Test war somit eine sehr gute Ergänzung zum Wertetest von einguterplan.de.
2) Analysiere die Social-Media-Kanäle des Unternehmens und seiner Mitarbeiter*innen
Zwar neigen neben Privatpersonen auch Unternehmen dazu, sich in den sozialen Netzwerken (nur) von ihrer besten Seite zu zeigen. Dennoch sind Social Media ein guter Ort, um erste Informationen über das Innenleben eines Unternehmens zu erhalten. Darüber hinaus können Ansprache, Wording und Bildauswahl dazu beitragen, ein Gespür für die Unternehmenskultur zu entwickeln. Zu guter Letzt kann der Besuch eines Social-Media-Accounts Fragen beantworten, auf die du an anderer Stelle keine Antwort erhalten hast: Wie kommuniziert ein Unternehmen auf Facebook? Was teilen Führungskräfte aus dem Unternehmen auf LinkedIn? Wie lange sind Mitarbeiter*innen laut XING hier beschäftigt?
3) Checke die Arbeitgeberbewertungen bei Kununu
Am Arbeitgeberbewertungsportal kununu kommst du heutzutage nicht mehr vorbei, wenn du dich aus erster Hand über ein Unternehmen informieren möchtest. Kununu lässt sich prima als Rechercheplattform für passende Unternehmen nutzen, indem du Filter wie ‚Flexible Arbeitszeiten‘, ‚Gesundheitsmaßnahmen‘ oder ‚Mitarbeiterevents‘ nutzt.
Auch wenn Bewertungsportale kritisch zu betrachten sind, erhältst du durch Statements von Angestellten und Bewerber*innen sowie durch den ‚Kulturkompass‘ hilfreiche Eindrücke von der Kultur und den Werten eines Unternehmens.
Ein ehemaliger LVQ-Teilnehmer bekam nach einem Vorstellungsgespräch ein Jobangebot, hatte jedoch ein „komisches Gefühl“. Er schaute sich die kununu-Bewertungen des Unternehmens an und fand mehrere negative Bewertungen zum Vorgesetztenverhalten. Kritisiert wurden Aspekte wie fehlendes Vertrauen und eine erdrückende Fehlerkultur. Genau solche Gründe hatten dazu geführt, dass er seine vorherige Position gekündigt hatte. Also nahm er über XING Kontakt mit ehemaligen Mitarbeitern des Unternehmens auf, um die Bewertungen zu überprüfen. Letztendlich entschied er sich gegen das Jobangebot, suchte weiter und fand schließlich einen passenden Arbeitgeber.
Im Blogbeitrag Kununu und Co.: 5 Tipps für deine Bewerbung und Jobsuche beschreibe ich etwas ausführlicher, wie du das Portal zielführend nutzen kannst.
4) Stelle die richtigen Fragen im Vorstellungsgespräch
Ein Fall wie der obige lässt sich vermeiden, wenn du mit einem Bewusstsein für die eigenen Werte ins Vorstellungsgespräch gehst und entsprechende Fragen stellst. In meinem Fall wären das Fragen zu Gesundheit, Zugehörigkeit und Vertrauen:
- Wird Wert auf die Gesundheit der Mitarbeiter*innen gelegt?
- Wird der Teamgedanke großgeschrieben? Identifizieren sich die Mitarbeiter*innen mit dem Arbeitgeber und wie ist die Fluktuation unter den Angestellten?
- Besteht ein vertrauensvolles Miteinander und Raum für Selbstverantwortung?
Wenn möglich, lass dich durch das Unternehmen führen. Vereinbare gar einen Probetag, wenn das Gespräch positiv verlaufen ist. So bekommst du live einen eigenen Eindruck von den Unternehmenswerten.
Werte als Kompass für Zufriedenheit im Beruf
Werte beeinflussen unser Handeln und definieren, in was wir unsere Energie und Zeit investieren. Unsere Werte können im privaten und beruflichen Kontext voneinander abweichen, da wir in beiden Bereichen unterschiedliche Bedürfnisse haben und unterschiedliche Erfahrungen gesammelt haben.
Die eigene Werte-Skala verändert sich zudem im Laufe des (Berufs-)Lebens. Daher lohnt es sich, in persönlichen und beruflichen Krisenphasen oder vor anstehenden Veränderungen die eigenen Werte auf den Prüfstand zu stellen. Je bewusster wir unsere Werte wahrnehmen, desto eher verstehen wir, warum wir unzufrieden oder unglücklich sind, und desto mehr Klarheit haben wir bei anstehenden Entscheidungen.
Ich wünsche dir viel Freude und gute Erkenntnisse beim Herausarbeiten deiner Werte!
Dies ist der Karriereblog von LVQ.de. Unsere Artikel werden verfasst von unserem Redaktionsteam bestehend aus Martin Salwiczek, Lars Hahn und Kay Pfefferkuchen.
Die LVQ Weiterbildung und Beratung GmbH bietet Weiterbildungen für Fach- und Führungskräfte und Akademiker. Unser Vollzeitangebot mit anerkannten Abschlüssen kann zum Beispiel über den Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit gefördert werden. Besonderes Augenmerk legen wir auf Präsenzunterricht mit Dozenten aus der beruflichen Praxis und der weiterbildungsbegleitenden Unterstützung bei der Jobsuche.
Für Berufstätige bietet die LVQ Business Akademie entsprechende Weiterbildungen. Der Fokus liegt auf der Vermittlung fachspezifischer Themen aus dem gesetzlich geregelten Bereich. Inhouse-Seminare, Beratung und Schulungen für Unternehmen runden das Angebot der LVQ ab.
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