Stellenanzeigen entschlüsseln: Wann wird die Bewerbung erfolgreich?

09.12.2021, Martin Salwiczek

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Dieser Artikel wurde am 06.03.2024 aktualisiert.

Wann lohnt sich die Bewerbung auf eine Stellenanzeige? Wie wird meine Bewerbung erfolgreich? Diese Fragen gibt es, seit Unternehmen ihre vakanten Stellen per Anzeige ausschreiben, früher in der Zeitung, heute eher online. Je nachdem welche Personaler*innen, Karriereexpert*innen oder erfolgreichen Bewerber*innen man fragt, sind die Antworten höchst unterschiedlich. Während manche sagen, dass Bewerber*innen mindestens 80 Prozent der ausgeschriebenen Erwartungen erfüllen sollten, halten andere Prozentangaben für zweitrangig. In diesem Beitrag versuchen wir, etwas Licht ins Dunkel zu bringen, beleuchten unterschiedliche Sichtweisen und geben Tipps, wie du die Erfolgswahrscheinlichkeit deiner Bewerbung erhöhst.

Die Geschichte vom Dosenöffner

Maik K. ist frustriert. Er will nach Süddeutschland ziehen und sucht dort eine Stelle im Kommunikationsbereich. Trotz Studium (Politikwissenschaften) und anschließender Weiterbildung (u. a. Social Media und Online-Redaktion) findet er keinen Job. Seine Kontakte hat er im Ruhrgebiet, also bewirbt er sich über Internet-Stellenbörsen, kassiert jedoch nur Absagen. Also entschließt er sich, etwas Neues auszuprobieren, und geht bei seinem Anschreiben auf Risiko:

„Sehr geehrte Frau X,

zurzeit arbeite ich als Dosenöffner-Personal für meinen Kater. Dank Ihrer Stellenausschreibung als Corporate Communication Expert wird es endlich Zeit für eine berufliche Neuorientierung. (…) Ja, ich habe zu wenig Berufserfahrung als Corporate Communication Expert. Das gebe ich zu. Dafür habe ich schon mal einen Hashtag auf Twitter zum Trenden gebracht und einem Unternehmen geholfen, nach der (DIN EN) ISO 9001 beim TÜV eine Wiederzertifizierung zu erreichen.“

Das Anschreiben selbst wirkt als „Dosenöffner“. Maiks Mut wird belohnt und er wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl er sich als Berufseinsteiger auf eine Senior-Stelle beworben hat. Allein „wegen des ersten Satzes“ habe man ihn eingeladen, aber man fragt ihn, „ob er denn wisse, auf was für eine Stelle er sich beworben habe“. Ginge man rein nach der prozentualen Passung, erfüllt Maik wahrscheinlich nicht mal 50 Prozent der Anforderungen. Doch er überzeugt im Gespräch und bekommt die Stelle.

Diese Geschichte ist tatsächlich so passiert, zählt aber (leider) eher zu den Ausnahmen. Ein Ingenieur würde mit solch einem Anschreiben für eine Stelle als Konstrukteur vermutlich weniger punkten. Höchstwahrscheinlich würde das Anschreiben gar nicht erst gelesen werden, wenn der Lebenslauf nicht schon die für die ausgeschriebene Position erforderlichen Fakten aufweist. Denn danach funktioniert in der Regel das Spiel in den Stellenbörsen: Je besser Bewerber*innen auf die Anforderungen in Stellenanzeigen passen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.

Die Stellenanzeige: Was Unternehmen (glauben, zu) wollen

Was in der Theorie simpel klingt, ist in der Praxis für Bewerber*innen jedoch häufig komplizierter. So gibt es zu besetzende Positionen, bei denen dem Unternehmen die Anforderungen an die zu besetzende Stelle selbst gar nicht genau bewusst sind. Das mag absurd klingen, ist jedoch leider Realität. So ist es zum Beispiel verstärkt bei Stellen in Verbindung mit digitalen Themen (Online-Marketing, Social Media, Agiles etc.). Das führt dazu, dass Unternehmen oft die bekannte „eierlegende Wollmilchsau“ ausschreiben oder beim Verfassen von Stellenanzeigen sogar beim Wettbewerb kopieren. Laut der einer Stellenanzeige-Studie des HR-Experten Henner Knabenreich waren dies sogar über 50 Prozent (!) der Unternehmen. 

Wenn die Betriebe selbst nicht wissen, was genau sie suchen, wie sollen Bewerber*innen dann einschätzen können, ob sie zur Stelle passen? Grundsätzlich solltest du dich als Bewerber*in also nicht von den oft umfangreichen Anforderungen in Stellenanzeigen verunsichern oder gar abschrecken lassen.

Anforderungen in Stellenanzeigen: Die Frage nach der Passung

Doch was ist mit den Stellen, in denen den Arbeitgebern die Anforderungen sehr klar sind? Gibt es da eine prozentuale Passung, an der ich mich als Bewerber*in orientieren kann? Die Meinungen der Expert*innen schwanken stark – von „50 Prozent Passung oder weniger“ bis zu „mindestens 80 Prozent Passung“. Via LinkedIn habe ich in meinem Netzwerk bei Personaler*innen, Karriereexpert*innen und erfolgreichen Bewerber*innen nachgefragt. Immerhin 46 Rückmeldungen gab es mit folgendem Ergebnis:

  • 35 Prozent stimmten dafür, dass mindestens 80 Prozent der Anforderungen erfüllt sein müssen,
  • 48 Prozent reichten 50 Prozent Passung,
  • 4 Prozent gar nur 30 und
  • immerhin 13 Prozent stimmten dafür, sich unabhängig von den Anforderungen zu bewerben.

Die entspricht dem Ergebnis einer groß angelegten Studie der Recruitingagentur Talent Works, über die der Business Insider berichtete. Hier reichten 50 Prozent Übereinstimmung bei über 6.000 Stellenanzeigen und Bewerbungen aus 118 Branchen. 

Doch wann habe ich als Bewerber*in die 50 Prozent Passung erreicht?

So einfach lässt sich das gar nicht beantworten. Man kann sich zwar ein Stück weit an „Muss“- und „Kann“-Anforderungen orientieren (woran man diese erkennt, dazu gleich), dies setzt jedoch voraus, dass das suchende Unternehmen sich über die Anforderungen seiner Stelle auch wirklich im Klaren ist. Zudem setzen viele Arbeitgeber in Stellenanzeigen die Anforderungen bewusst etwas höher, um den perfekten Kandidaten zu bekommen. So kann es vorkommen, dass von einem Vertriebler langjährige Produkterfahrung verlangt wird, dieser jedoch bereits unterschiedlichste Produkte verkauft haben und sich schnell in neue Themen einarbeiten können soll. Beliebt ist auch die Forderung bestimmter Software-Kenntnisse, die sich IT-affine Menschen wiederum schnell aneignen können.

Im Zweifel lohnt es sich, zum Hörer zu greifen und beim Unternehmen nachzufragen, welche Kenntnisse unabdingbar sind.     

Berufseinstieg und Berufswechsel – wenn die Passung auf Stellenanforderungen gering ist

Was ist aber, wenn ich als Bewerber*in nicht mal annähernd 50 Prozent der Stellenanforderungen erfülle? Diese Frage werden sich viele Berufseinsteiger*innen und Berufswechsler*innen stellen, denen es gerade an gefragter Berufserfahrung fehlt. Stellenportale wie Stepstone, Monster und Co. sind nicht auf branchen- oder fachfremde Bewerber*innen ausgerichtet. Berufseinsteiger*innen kennen den Teufelskreis „Ich habe keine Berufserfahrung, also bekomme ich keinen Job – ich bekomme keinen Job, also fehlt mir die Berufserfahrung“.

Meine Kollegin Helene Thiessen berät seit vielen Jahren Arbeitssuchende im Bewerbungsprozess. Ihrer Erfahrung nach reichen 30 Prozent Passung bei der Bewerbung manchmal schon aus:

„Viele unserer Teilnehmer*innen machen bei uns eine Weiterbildung, um sich beruflich neu zu orientieren oder als Hochschulabsolvent*in den Berufseinstieg zu schaffen. Sie bringen häufig die geforderte Berufserfahrung nicht mit, gleichen diese jedoch durch die Weiterbildungen aus. Ich ermutige sie dann, sich zu bewerben, was häufig auch zum Erfolg führt.“

Nun absolviert nicht jede*r Bewerber*in eine Weiterbildung, aber es gibt mit Sicherheit viele andere ausgleichende Faktoren. Viele Unternehmen schauen bei einer Bewerbung nicht nur auf die fachlichen Aspekte, sondern fragen sich auch, ob der Mensch zum Unternehmen passt. Hier kann man in der Bewerbung punkten. Wie gut passen meine Werte, meine Arbeitsweise, mein „Mindset“ zum Arbeitgeber?  Welche Übereinstimmung finde ich auf der Unternehmensseite? Was wird bei Kununu geschrieben, bei XING, LinkedIn? Gibt es vielleicht andere Stellen, die das Unternehmen ausschreibt und die passen könnten?

Gerade bei Unternehmen, die mehrere Stellen ausschreiben, erleben wir immer wieder, dass Bewerber*innen trotz geringer Übereinstimmung mit der eigentlichen Stelle zum Gespräch eingeladen werden. Voraussetzung dafür ist, die grundsätzliche Passung zum Unternehmen in der Bewerbung zeigen zu können. Es wird dann geschaut, auf welche Stelle man alternativ passt, oder es wird sogar eine neue Stelle geschaffen.

3 Tipps für die Bewerbung auf Stellenanzeigen

Nicht nur die Stellenanforderungen, sondern auch die Passung zum Unternehmen im Blick haben – im Prinzip lohnt sich dies für alle Bewerber*innen – ob Berufseinsteiger*innen, Quereinsteiger*innen, Professionals oder erfahrene Führungskräfte. Drei ergänzende Tipps haben wir für deine Bewerbung auf Stellenanzeigen:

1) Unterscheide zwischen Muss- und Kann-Anforderungen

Wie bereits erwähnt, sollte man in einer Stellenanzeige zwischen „Muss-“ und „Kann-“Anforderungen unterscheiden.  

 „Oft stellt schon die Reihenfolge der Anforderungen an Bewerber eine Hierarchie dar: Was oben steht, sollten Sie unbedingt erfüllen, was weiter unten steht, ist wünschenswert, aber kein Muss,“ heißt es in der Karrierebibel.

Muss-Anforderungen erkennt man demnach an Formulierungen wie

  • „vorausgesetzt werden …“
  • „… sind erforderlich“
  • „… mindestens …“

Je weniger dieser Anforderungen erfüllt werden, desto geringer die Bewerbungschancen. „Kann“-Anforderungen („idealerweise“, „wünschenswert sind …“ etc.) bieten nur einen geringen Ausgleich zu „Muss“-Anforderungen, sind aber ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Bewerber*innen.

2) Lass dich nicht von Stellentiteln ablenken

Dieser Tipp stammt vom Wissenschaftsladen Bonn. Jobbeschreibungen wie der „Desk Officer for Digital Media“ oder der „Director of Excecutive Education“ sind Folge der Digitalisierung und Internationalisierung des Arbeitsmarktes und für Bewerber*innen häufig unverständlich. Sieh dir zunächst die Aufgaben an und überleg, ob diese für dich passen, ehe du auf die vom Unternehmen gewünschten Qualifikationen schaust. Auch hier wird eine Passung von circa 50 Prozent empfohlen. Passt dann noch das Unternehmen mit seinem Produkt, Thema und der Branche, soll man sich unabhängig vom Jobtitel bewerben.

3) Sei mutig und zeig Haltung

Bernd Slaghuis ist einer der bekanntesten Karriere- und Business-Coaches Deutschlands. Er berät viele Menschen in der Phase der beruflichen Veränderung. Er kommentiert unsere Umfrage auf LinkedIn wie folgt:

„Ich finde die Orientierung an Prozenten für Bewerber schwierig. Ich sage meinen KlientInnen: Sieh dir die Aufgabe an und versetze dich in diese Funktion/Rolle … traust du sie dir nach etwas Einarbeitung selbst zu? Wenn ja, dann bewirb dich – unabhängig davon, was gefordert wird.“

Bewerber*innen sollen Mut zeigen. In einem Blogbeitrag ergänzt Slaghuis „Doch klar ist: Je weniger Du die genannten Anforderungen erfüllst, umso mehr Klarheit und Kante benötigt Deine Bewerbung.“ Eine leichte Dosis mehr an ehrlicher Klarheit im Anschreiben und Lebenslauf, gepaart mit der richtigen Haltung, führe seiner Erfahrung nach regelmäßig dazu, dass Bewerber*innen häufiger und schneller zu Gesprächen eingeladen werden.

Die Bewerbung auf die Stellenanzeige – was am Ende zählt

Wann lohnt sich nun die Bewerbung auf eine Stellenanzeige?

Möchtest du dich an Prozenten orientieren, dann reichen tendenziell 50 Prozent Übereinstimmung mit den Stellenanforderungen. Doch wer entscheidet, ob du zu 50 Prozent passt? Das Unternehmen oder du?

Im Endeffekt zählt, wie sehr du eine Stelle besezten möchtest bzw. wie groß dein Interesse an dem Unternehmen ist. Wenn du unsicher bist, wie gut du zur Stelle passt, kannst du dich trotzdem bewerben (und im Bewerbungsgespräch Einzelheiten erfragen) – oder du nimmst Kontakt zum Unternehmen auf und stellst gezielt Fragen. Zeige „Klarheit und Kante“ in deiner Bewerbung, so wie Maik K. in unserem Beispiel zu Beginn des Artikels. Er ging offen damit um, dass er wenig Berufserfahrung hat, und wurde trotzdem eingeladen.

Ob du vorher zum Hörer greifst oder dich einfach bewirbst – auch dein Mut wird am Ende belohnt werden, du musst dich nur trauen. ;-)


 


 

 

 

 

 

Dies ist der Karriereblog von LVQ.de. Unsere Artikel werden verfasst von unserem Redaktionsteam bestehend aus Martin Salwiczek, Lars Hahn und Kay Pfefferkuchen.

Die LVQ Weiterbildung und Beratung GmbH bietet Weiterbildungen für Fach- und Führungskräfte und Akademiker. Unser Vollzeitangebot mit anerkannten Abschlüssen kann zum Beispiel über den Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit gefördert werden. Besonderes Augenmerk legen wir auf Online-Präsenzunterricht mit Dozent*innen aus der beruflichen Praxis und der weiterbildungsbegleitenden Unterstützung bei der Jobsuche.

Für Berufstätige bietet die LVQ Business Akademie entsprechende Weiterbildungen. Der Fokus liegt auf der Vermittlung fachspezifischer Themen aus dem gesetzlich geregelten Bereich. Inhouse-Seminare, Beratung und Schulungen für Unternehmen runden das Angebot der LVQ ab.

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