Belhassen Marzouki kann man als Musterbeispiel für eine gelungene Integration bezeichnen.
Der gebürtige Tunesier lebt seit zwölf Jahren in Deutschland. Er lernte schnell deutsch, setzte noch ein Studium drauf, arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter und erwarb die deutsche Staatsangehörigkeit.
Dennoch musste er erleben, wie der Migrationshintergrund die Jobsuche erschwert.
Im Interview sprechen wir mit Herrn Marzouki über ein einschneidendes Erlebnis während der Jobsuche und was sich nach seiner Weiterbildung verändert hat.
Hallo Herr Marzouki. Danke, dass Sie Zeit für das Interview gefunden haben. Stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Belhassen Marzouki. Ich komme ursprünglich aus Tunesien und bin seit zwölf Jahren in Deutschland. In Tunesien habe ich ein Diplom in Produktionstechnik erworben und bin nach dem Studium nach Deutschland gezogen. An der FH Köln habe ich dann einen Master in Anlagen- und Verfahrenstechnik absolviert und anschließend vier Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Südwestfalen gearbeitet.
Berufserfahrung während des Studiums zählt nicht
Wie lief es danach weiter?
An den Fachhochschulen erhielt ich nur Zeitverträge, so dass ich keine langfristige Perspektive gesehen habe. Also entschloss ich mich dazu, mich in Richtung Industrie zu orientieren. Die Jobsuche dauerte dann länger als ich vermutet hatte. Über ein Jahr habe ich mich beworben und nur eine einzige Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen.
Was hat Ihre Jobsuche so schwierig gestaltet? Immerhin sind Sie sehr gut ausgebildet.
Ich sehe da zwei Gründe. Im Nachhinein habe ich häufig gesagt bekommen, dass es an der fehlenden industriellen Erfahrung liegt. Berufserfahrung an Hochschulen und Fachhochschulen zählt auf dem industriellen Arbeitsmarkt nicht.
Sehen Sie das genauso?
Eigentlich nicht. Ich habe Projekte im Bereich Kunststoffverarbeitung in enger Zusammenarbeit mit KMU (Kleine und Mittlere Unternehmen, Anm. d. Red.) geleitet. Da habe ich viel gelernt, sowohl fachlich, als auch in der Kommunikation im Industrie-Bereich. Es ist schade, dass das nicht reicht.
Der Anschlag in Berlin hat was verändert
Was war der zweite Grund für die schwierige Jobsuche?
Ich hatte zu dieser Zeit intensiven Kontakt mit einem Personaldienstleister. Wir haben mehrmals die Woche telefoniert und ich war dann auch für eine Stelle in der engen Auswahl. Dann kam es zu dem Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt, der durch einen Tunesier verübt wurde. Danach brach der Kontakt ab. Nach einigen Tagen rief ich dort an und fragte nach, warum der Kontakt abgebrochen sei. Die Ansprechpartnerin sagte, sie dürfte das nicht sagen. Ich blieb hartnäckig und fragte direkt nach, ob es mit dem Anschlag zusammen hinge und sie bestätigte mit Bedauern, dass der potenzielle Arbeitgeber mich aufgrund meiner Herkunft ablehnte, da dies zu Unruhen in der Belegschaft führen könnte.
Wie sind Sie mit diesem Erlebnis umgegangen?
Im ersten Moment war ich natürlich sprachlos und wusste nicht, wie ich damit umgehen soll. Dann sagte ich mir, dass es ja weitergehen muss und habe mir überlegt, wie ich meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt weiter erhöhen kann. Der Bedarf im Bereich Arbeitssicherheit ist groß und ein Bekannter empfahl mir, die Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit zu machen. Durch die Arbeitsagentur erhielt ich die Chance, mich weiterzubilden, was mich schließlich zur LVQ geführt hat. Zusätzlich zur Ausbildung der Fachkraft für Arbeitssicherheit kam noch die Weiterbildung zum Projektmanager und zum Umweltbetriebsprüfer dazu, da diese Kenntnisse auch immer wieder in Stellen gefordert wurden.
Weiterbildung zur Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Haben Sie die Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit vordergründig aus einer Notwendigkeit heraus gemacht?
Ich fand den Beruf schon durch die Erzählungen meines Bekannten sehr interessant. Es ist ein sehr spannender Bereich, in dem es um die Sicherheit und Gesundheit von Menschen geht, sogar darum Menschenleben zu retten. Die Weiterbildung hat mich dann darin bestätigt.
Inwiefern hat Sie die Weiterbildung in Ihrer Entscheidung bestärkt?
Fachlich und inhaltlich war es eine sehr spannende Ausbildung. Auch der Mix aus Präsenz- und Selbstlernphasen und die hilfreiche Unterstützung der Dozenten waren wichtig. Die anschließenden Lernerfolgskontrollen mit Zwischenprüfung waren sehr gut für die Vorbereitung. Wichtig war auch das integrierte Praktikum, in dem ich erstmals eine Gefährdungsbeurteilung erstellen konnte. So habe ich einen sehr guten praktischen Einblick in die Arbeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit bekommen.
Mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit kamen die Jobangebote
Haben Sie das Praktikum vermittelt bekommen oder haben sie es selbst gesucht?
Ich hätte Unterstützung bekommen, habe aber erstmal selbst gesucht. Das ging dann über XING auch sehr schnell. Ich habe in zwei Fachgruppen zum Thema Arbeitssicherheit reingeschrieben, dass ich ein Unternehmen für das Praktikum suche. Das dauerte keinen Tag und ich bekam darauf hin auch direkt ein Angebot. Ich blieb mit der Person, die mich über XING anschrieb, in Kontakt und erhielt darüber meine erste Festanstellung nach der Weiterbildung. Leider lief es dann etwas anders, als zuvor vereinbart, so dass wir uns frühzeitig getrennt haben.
Im Nachhinein habe ich einfach zu schnell zugesagt, da ich trotz der Weiterbildung Sorge hatte, dass es aufgrund der fehlenden industriellen Berufserfahrung und der Erfahrung mit dem Personaldienstleister weiterhin schwer mit der Jobsuche werden würde.
Wie sieht es jetzt aktuell aus?
Ich stecke jetzt gerade wieder im Bewerbungsprozess und bekomme auf jede zweite Bewerbung eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Die Quote ist viel höher als vor der Weiterbildung. Dabei habe ich mich aufgrund der Erfahrung bei der letzten Stelle nur auf ausgesuchte Stellen beworben. Es ist schön zu sehen, dass ich jetzt aufgrund meiner fachlichen Kenntnisse eingeladen werde.
Migrationshintergrund bei Bewerbern: Dem Engagement mehr Beachtung schenken
Ich habe ein hochwertiges Studium in Tunesien absolviert, habe mich sprachlich und gesellschaftlich integriert, hier weiter studiert und mich weitergebildet. Ich denke, das ist ein gutes Beispiel für Integration. Ich hoffe, dass mir nicht noch mal dasselbe passiert wie nach dem Anschlag in Berlin und dass die Arbeitgeber sich nicht zu sehr von solchen Ereignissen beeinflussen lassen.
So wie mir geht es auch vielen anderen Menschen mit Migrationshintergrund, die nicht von Geburt an in Deutschland leben. Da sind viele sehr qualifizierte Menschen dabei, die eine besonders hohe Lern- und Arbeitsbereitschaft mitbringen, hier jedoch Schwierigkeiten bei der Jobsuche haben und mehr vorweisen müssen als andere Bewerber. Es wäre schön, wenn dieses Engagement bei Arbeitgebern mehr Beachtung finden würde.
Herr Marzouki, vielen Dank für das Interview!
Dies ist der Karriereblog von LVQ.de. Seit Januar 2019 erhält unser Redaktionsteam um Martin Salwiczek und Lars Hahn Verstärkung durch Angela Borin, unsere neue Mitarbeiterin im Bereich Online-Marketing.
Die LVQ Weiterbildung gGmbH bietet Weiterbildungen für Fach- und Führungskräfte und Akademiker. Unser Vollzeitangebot mit anerkannten Abschlüssen kann zum Beispiel über den Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit gefördert werden. Besonderes Augenmerk legen wir auf Präsenzunterricht mit Dozenten aus der beruflichen Praxis und der weiterbildungsbegleitenden Unterstützung bei der Jobsuche.
Für Berufstätige bietet die LVQ Business Akademie entsprechende Weiterbildungen. Der Fokus liegt auf der Vermittlung fachspezifischer Themen aus dem gesetzlich geregelten Bereich. Inhouse-Seminare, Beratung und Schulungen für Unternehmen runden das Angebot der LVQ ab.
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