Das Anschreiben – Fixpunkt der Bewerbung oder überholtes Relikt?

23.08.2017, Martin Salwiczek

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Die Firma Henkel verzichtet auf das Bewerbungsanschreiben – diese Meldung aus dem Juli 2017 sorgte sowohl in Personaler-Kreisen, also auch in den Seminarräumen der LVQ für neue Diskussionen um das Bewerbungsanschreiben. Neue Recruiting-Formate wie Videointerviews, Online-Assessments oder „One-Klick-Bewerbungen“ sind auf den Vormarsch. Businessnetzwerke wie XING oder Linkedin bieten schnelle Formen des Austausches zwischen Arbeitgebern und Bewerbern.

 

Ist das Bewerbungsanschreiben also ein überholtes Relikt der Bewerbung? Können wir es aus unserer Bewerberserie ausklammern?

Diesen Fragen gehen wir im heutigen Beitrag nach.

Das Anschreiben vs. direkte Kommunikation

Schon seit einigen Jahren scheiden sich die Geister über Sinn und Unsinn des Bewerbungsanschreibens. Auf der einen Seite Personalverantwortliche, die das Anschreiben immer noch als persönlichen und Motivation stiftenden Teil der Bewerbung sehen. Auf der anderen Seite die Befürworter der direkten Kommunikation, die umgehend das persönliche Gespräch suchen.

 

Die Diskussion um das Anschreiben wird weiter angefacht durch die technologischen Möglichkeiten, die den Austausch zwischen Arbeitgebern und Bewerbern vereinfachen. So gehören Videointerviews, Online-Assessments oder „One-Klick-Bewerbungen“ via XING oder LinkedIn mittlerweile zum Alltag vieler Bewerber.

 

„In der Regel bekommt man durch einen persönlichen Kontakt mehr Informationen als durch ein Anschreiben“, erklärt Katrin Kieven, Recruitment-Leiterin von Henkel im Interview und begründet damit die Entscheidung gegen das Anschreiben. Passt der Lebenslauf, wird direkt zum Telefonhörer gegriffen.

Das Anschreiben ein überholtes Relikt? Die Zahlen sagen etwas anderes

Kann man als Bewerber in Zukunft also auf das Anschreiben verzichten? Viele Bewerber würden das mit Sicherheit befürworten, laut der Studie Recruiting Trends 2016 mit 36,5 % sogar mehr als jeder dritte Bewerber.

Selbige Studie zeigt jedoch auch, dass Henkel vielleicht eher die Ausnahme als die Regel bei den Arbeitgebern ist, zumindest nach aktuellen Stand.

Demnach finden acht von zehn Unternehmen das Anschreiben immer noch wichtig. Ähnlich sieht es aus, wenn man zwei weitere Studie heranzieht:

In der Indeed-Bewerbungstudie 2016 gaben 87% der Arbeitgeber an, nicht auf das Anschreiben verzichten zu wollen. Und in der Stepstone-Bewerbungsstudie von 2015 waren es immer noch 63 % der befragten Arbeitgeber, die ein Anschreiben als wichtig erachten.

 

Die Bedeutung des Anschreibens für die Bewerbung dürfte damit aktuell wohl unstrittig sein, auch wenn in den oben genannten Studien die zukünftige Bedeutung von neuen Bewerbungsformaten wie „One-Klick-Bewerbungen“ oder Video-Interviews hoch bewertet wird.

Das Anschreiben in der Diskussion – selber machen oder schreiben lassen?

Dennoch zieht das Anschreiben einige Diskussionen nach sich. Arbeitgeber klagen über austauschbare, unpersönliche Anschreiben. Formulierungen seien meist wenig aussagekräftig und floskelhaft. Lebensläufe würden im Anschreibentext redundant wiedergegeben werden.

Bewerber hingegen zweifeln an, dass Anschreiben überhaupt gelesen werden. In Relation dazu steht ein zeitlich hoher Aufwand bei der Erstellung von Anschreiben. Laut Indeed-Studie sitzen Bewerber im Schnitt 74 Minuten an einer Bewerbung, wobei ein Großteil auf die Formulierung des Anschreibens gehen wird.

 

Dies führt dazu, dass manche Bewerber Ihre Bewerbungen von Ghostwritern oder externen Dienstleistern aus dem Internet schreiben lassen. Für Arbeitgeber ist dies ärgerlich, da es so zur Fehlauswahl kommen kann. Für Bewerber wiederum kann ein fremdgeschriebenes Anschreiben dazu führen, dass die erzeugte Erwartungshaltung später im Vorstellungsgespräch nicht erfüllt werden kann. Ruth Böck von rekrutierungserfolg.de fasst in einem Blogbeitrag zusammen, worauf Personaler beim Anschreiben achten:

  • „Optik, Formatierung und Rechtschreibung gelten als Indizien für Sorgfalt und Ordentlichkeit,
  • die Ausdrucksweise wird als Beleg für Sprachkompetenz herangezogen,
  • der Einleitungssatz sagt eigentlich schon alles über Kreativität und Begeisterungsfähigkeit aus,
  • eine Bezugnahme zum Unternehmen gilt als Interesse an der Firma und Bemühen um den Job,
  • die Länge des Anschreibens ist Maßstab für Extrovertiertheit oder Introvertiertheit,
  • ein aktiver oder passiver Schreibstil zeugt von eigener Aktivität oder Passivität,
  • Konjunktive sind Zeichen für Unsicherheit und
  • die Unterschrift kann je nach Betrachter auch einiges aussagen …“

Ein Anschreiben ist in vielen Fällen ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Personaler. Immer wieder  bekommen wir von unseren Teilnehmern gesagt, dass sie gerade wegen des Anschreibens zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden sind.

Wird ein Anschreiben jedoch von einem externen Dienstleister verfasst, sagt es nichts mehr über den eigentlichen Bewerber aus. Natürlich sollte man jedes Anschreiben Korrektur lesen und wenn möglich optimieren lassen, im Kern jedoch selber verfassen.

Das Anschreiben ist und bleibt Bestandteil der Bewerbung

Fassen wir zusammen: Auch wenn das Anschreiben in der Diskussion steht und Henkel es sogar „abgeschafft“ hat, ist es für die meisten Personaler elementarer Bestandteil der Bewerbung. Dies gilt für Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen und noch mehr für die Bewerbung im verdeckten Arbeitsmarkt. Vor allem bei Initiativbewerbungen ist das Anschreiben elementarer Bestandteil der Bewerbung. Daher werden wir uns in den folgenden Beiträgen unserer Serie mit dem Anschreiben intensiv auseinander setzen und uns mit folgenden Fragen beschäftigen:

  • Welche formalen Kriterien muss ich beim Anschreiben beachten?
  • Wie baue ich das Anschreiben inhaltlich auf?
  • Wie grenze ich mich von anderen Bewerbern ab?
  • Wie sollte mein Einleitungssatz aussehen?
  • Welche Gehaltsvorstellung gebe ich an?
  • Wie erstelle ich ein Anschreiben für eine Initiativbewerbung?

Der nächste Beitrag wird sich mit formalen Aspekten des Anschreibens auseinander setzen.

 

Welche Inhalte zum Anschreiben interessieren Sie? Schreiben Sie uns gerne!

 

 

 

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