Das Treffen der zwei Generationen: Die Autorin und Beraterin Anne M. Schüller gilt europaweit seit langem als Autorität in Sachen Marketing und Kundenbindung. Für ihr aktuelles Buch Fit für die Next Economy holte sie sich Verstärkung an ihre Seite: Ihr Co-Autor Alex T. Steffen, Jahrgang 1990, ist Unternehmensberater und Top-Speaker für Innovation und digitale Transformation.
Zwei Generationen, die ein brandaktuelles Thema aus der jeweiligen Perspektive betrachten - klingt nach einem spannenden Experiment. Folgerichtig wurde das Buch auch Bestseller in der Rubrik Kulturmanagement.
Auch in der LVQ treffen oft die Digital Natives auf Menschen mit langer Lebens- und Berufserfahrung. Was lag näher, als dass wir Anne M. Schüller und Alex T. Steffen zu einem Interview baten.
Internetgeneration trifft klassisches Management
Lars Hahn: Frau Schüller, Herr Steffen, vielen Dank, dass Sie gleich zu zweit Zeit für dieses Interview haben. Im Team haben Sie auch Ihr gemeinsames Buch erarbeitet: „Fit für die Next Economy“. Ich hörte, es ist ein Zwei-Generationen-Buch. Was ist denn das?
Anne M. Schüller: Bücher, in denen ältere Jahrgänge über den digitalen Wandel und notwendige Transformationsprozesse schreiben, gibt es in Massen. Und Bücher, in denen Protagonisten der jungen Generation darüber reden, wie sie ticken und was sie fordern, gibt es auch. Was bislang fehlte, war der Brückenschlag zwischen Alt und Jung. Davon zu hören, wie die Millennials ticken, ist höchstens ein erster Schritt.
So ist es unabdingbar, dass Vertreter der alten und jungen Generation sich zusammentun, um gemeinsam das Beste für die Wirtschaft von morgen zu finden. Anne M. Schüller
Viel entscheidender ist dann die Frage, wie diese hochintelligente, bestens ausgebildete und längst durchdigitalisierte Internetgeneration dabei helfen kann, tradierte Unternehmen für die Next Economy fit, also zukunftsfähig zu machen. Um an den richtigen Stellen anzusetzen und am Ende erfolgreich zu sein, muss man aber das Mindset und die Historie des klassischen Managements kennen.
So ist es unabdingbar, dass Vertreter der alten und jungen Generation sich zusammentun, um gemeinsam das Beste für die Wirtschaft von morgen zu finden. Genau darum geht es in unserem Buch.
Die Digitalisierung hat eine Parallelwelt erschaffen
Lars Hahn: Was zeichnet denn die Next Economy aus (und welche Unternehmen sind darin besonders erfolgreich)?
Alex T. Steffen: Die allgegenwärtige Digitalisierung sorgt für eine grundlegende Veränderung des gesamten Umfeldes, in dem Unternehmen agieren. Der größte Umbruch aller Zeiten steht an. Die junge Generation hat dafür längst Antworten parat. Mit hohem Tempo, digitaler Kernkompetenz und einem Riecher für Innovationen treibt sie neue Geschäfts-, Arbeits-, Finanzierungs-, Kommunikations-, Kauf- und Lebensmodelle voran.
Der größte Umbruch aller Zeiten steht an. Alex T. Steffen
Von tradierten Modellen völlig entkoppelt, hat sie bereits eine Parallelwelt erschaffen, die sich der Old Economy, wenn überhaupt, nur ansatzweise erschließt. Die Next Economy ist geprägt vom Teilen, von Transparenz, von Vernetzung, Geschwindigkeit, Diversität und Kundennähe. Nur Unternehmen, die agil, digital, kollaborativ und disruptiv handeln, werden in diesen Szenario erfolgreich sein.
Lars Hahn: „Die Arbeitswelt wird sich neu erfinden. Jobs werden verschwinden, Arbeit aber wird bleiben“ schreiben Sie. Wie sieht denn Ihrer Einschätzung nach die Arbeitswelt in zehn Jahren aus, wie in 20 Jahren?
Alex T. Steffen: Es wird immer mehr Serviceberufe geben. Projektbasierte Arbeit wird zunehmen, wenn nicht sogar den Arbeitsmarkt dominieren. Konzepte wie Jobsharing gewinnen an Stellenwert. Wissen und Können, das im Unternehmen fehlt und kurzfristig verfügbar sein muss, wird zunehmend über Externe zugekauft. Man umgibt sich mit den jeweils besten Leuten für einen bestimmten Job.
Hand in Hand mit künstlichen Intelligenzen arbeiten
In jeder Couleur gibt es spezialisierte Experten, die ihre Talente mit bedürftigen Unternehmen auf Zeit verknüpfen. Sie jonglieren zwischen Projekten, Auftraggebern und Arbeitsorten. Sie organisieren sich in Netzwerken oder mithilfe von Agenturen. Sie bauen ihre Zelte immer dort auf, wo sie gemeinsam mit Gleichgesinnten etwas von Belang schaffen können. Angestelltes und selbständiges Arbeiten wechseln dabei.
Anne M. Schüller: Alles, was Computer und Roboter erledigen können, wird systematisch automatisiert. Der arbeitende Mensch wird dadurch allerdings nicht verdrängt, sondern macht sich daran, mit künstlichen Intelligenzen Hand in Hand zusammenzuarbeiten. Für die nächsten zehn Jahre geht uns die Arbeit nicht aus. Was danach ist, kann aus heutiger Sicht niemand sagen.
Gut bezahlt werden allerdings nur diejenigen, die mehr zu bieten haben, als das, was Software kann: das Individuelle, das Konzeptionelle und das Spezielle. Lebenslanges Lernen ist in Zukunft ein Muss. Völlig neue Organisationsmodelle entstehen. Führungskräfte werden dabei zu Möglichmachern - und nur noch für Dinge gebraucht, die Computer nicht können, nämlich die Analytik mit Intuition, mit Menschenkenntnis und Empathie zu verknüpfen.
Verantwortung abgeben, Geduld lernen - Herausforderungen für alt und jung
Lars Hahn: Sie sprechen in Ihrem Buch über zwei unterschiedliche Generationen von Akteuren der Arbeitswelt: Die erfahrenen Manager und Unternehmer einerseits, die häufig zu den digitalen Immigranten gehören und die jungen Berufsdurchstarter - Millennials, oder Digital Natives andererseits. Wenn Sie beiden Gruppen jeweils spezielle Tipps geben könnten für ihre jeweilige berufliche Fitness für die Zukunft?
Alex T. Steffen: Den erfahrenen Managern sage ich: Lernen Sie, Verantwortung abzugeben, statt viel Zeit in Machterhalt zu investieren. Vertrauen Sie in Andersdenkende, insbesondere in junge Menschen, in Frauen und schräge Köpfe. Nutzen Sie die Talente derjenigen, denen die Zukunft gehört. Das steigert die Innovationsfähigkeit und somit das Überleben am Markt.
Den Millennials sage ich: Lernen Sie, geduldig zu sein. Und: Arbeiten Sie an Ihrer Aufmerksamkeitsspanne. Zollen Sie den Erfahrungen und Werten der Älteren Respekt. Kommunizieren Sie mit Takt. Melden Sie sich zu Wort, und bringen Sie sich aktiv ein.
Beiden sage ich: Finden Sie Gemeinsamkeiten und entwickeln Sie ein ehrliches Interesse für die herausragenden Fähigkeiten und Fertigkeiten der jeweils anderen Seite, um diese mit den Ihren zu kombinieren. So entstehen wunderbare Initiativen mit viel Potenzial.
Geforderte Kompetenzen: Umgang mit Technologien und emotionale Intelligenz
Lars Hahn: Was sollten Ihrer Ansicht nach Menschen jetzt lernen, wenn sie für die zukünftige Arbeitswelt fit sein wollen? Welche Fähigkeiten brauchen die Akteure der Next Economy?
Alex T. Steffen: Die Zukunft erfordert zwangsläufig Kompetenzen im Umgang mit Technologien - ebenso wie emotionale Intelligenz. Die Fähigkeit, souverän mit Wandel umzugehen ist dabei zentral. Dazu benötigen wir dreierlei: Erstens, eine digitale Grundausbildung. Zweitens, Selbstführungskompetenz. Drittens, unternehmerisches Denken und Handeln. Letzteres bedeutet einerseits die Fähigkeit, Trends zu erkennen und für sich zu nutzen, um Innovationen proaktiv in den Markt zu bringen. Und es bedeutet auch, das Scheitern zu akzeptieren und wieder aufstehen zu können.
Anne M. Schüller: Was die Führungskräfte betrifft, braucht es, da sich Hierarchien zunehmend verflachen, Karrierealternativen. Gibt es die nicht, dann ist es nur logisch, dass das Management den Wandel blockiert. Der Ausweg aus diesem Dilemma heißt: Kletterwandkarriere mit Rollenflexibilität. Mal ist jemand Führungskraft eines Teams, mal Leiter eines Projekts, mal Verantwortlicher eines Prozesses, mal agiert er ohne Führungsaufgaben in einem Expertenteam. Wird eine Führungsrolle abgegeben, ist das weder mit Blamage noch mit Demontage verbunden.
Der Ausweg aus diesem Dilemma heißt: Kletterwandkarriere mit Rollenflexibilität. Anne M. Schüller
Ein solcher Schritt wird auch nicht als Rückschritt, sondern als Seitwärtsbewegung betrachtet. Fach- und Führungskarrieren werden gleichgesetzt. Vorgezeichnete Karrierewege, die zwangsläufig in einer Führungsposition mit Mitarbeiterverantwortung enden, gibt es dabei nicht mehr. Dies ist auch deshalb höchst sinnvoll, weil Spitzenfachleute immer dringender benötigt werden. Statt Zwangsaufstieg auf der Karriereleiter, der bei einem Fehltritt mit einem Totalabsturz verbunden sein kann, ermöglicht man guten Fachspezialisten neue Herausforderungen in der Breite der Unternehmenslandschaft.
Aus Science Fiction wird Realität
Lars Hahn: Ist es überhaupt möglich, in der New Economy ohne digitale Kompetenzen zu bestehen?
Alex T. Steffen: Man kann die Vorhänge vor dem Wandel zuziehen. Die Veränderung kommt trotzdem. Ohne digitale Kompetenzen hinkt man der Zukunft hinterher. Das können sich vor allem Unternehmen, die im globalen Wettbewerb stehen, nicht leisten. Die meisten Unternehmenslenker müssen dafür noch eine Menge tun. Aber sie müssen auch von der Politik einfordern, die notwendigen Ausbildungsmaßnahmen und Infrastrukturen schnellstens bereitzustellen. Andernfalls werden wir abgehängt.
Man kann die Vorhänge vor dem Wandel zuziehen. Die Veränderung kommt trotzdem. Alex T. Steffen
Lars Hahn: Noch eine ganz persönliche Frage an Sie, Frau Schüller: Wer Ihr Profil bei Wikipedia liest, wird erfahren, dass Sie mitnichten der Generation Y angehören. Wie kommt es, dass Sie nicht in die Gewohnheitsfalle tappen? Wie hält sich jemand mit so viel Berufs- und Lebenserfahrung selbst fit für die Next Economy?
Anne M. Schüller: Mein Antrieb ist Neugierde und Wissensdurst. Ich bin eine ewig Suchende und fasziniert von dem, was die Zukunft uns bringt. In den nächsten zehn, zwanzig, dreißig Jahren wird es so sein, das Science Fiction vor unseren Augen wahr werden wird. Als Mensch, als Manager und als Unternehmer sollte jeder, wie ich meine, sein Möglichstes tun, um diese neue Welt so lebenswert wie möglich zu machen.
Frau Schüller, Herr Steffen, vielen Dank für das Interview.
Alex T. Steffen (Jahrgang 1990) ist Unternehmensberater mit Fokus Innovation und Digitale Transformation. Zuvor war er Angestellter in analogen Unternehmen und digitalen Startups. Daher kennt er in Bezug auf die Arbeitswelt beide Seiten. Er hat einen Bachelor of Science in International Business. Durch seine Keynotes und Workshops hilft er Unternehmen dabei, in Zeiten des Wandels agiler und robuster zu werden. Kontakt: alextsteffen.com/
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmenstransformation. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. Kontakt: anneschueller.de
Das Buch zum Thema:
Dies ist der Karriereblog von LVQ.de. Hier schreiben Lars Hahn, Martin Salwiczek und Gastautoren.
Die LVQ Weiterbildung gGmbH bietet Weiterbildungen für Fach- und Führungskräfte und Akademiker. Unser Vollzeitangebot mit anerkannten Abschlüssen kann zum Beispiel über den Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit gefördert werden. Besonderes Augenmerk legen wir auf Präsenzunterricht mit Dozenten aus der beruflichen Praxis und der weiterbildungsbegleitenden Unterstützung bei der Jobsuche.
Das Angebot der LVQ Business Akademie richtet sich an Berufstätige und umfasst die Vermittlung fachspezifischer Themen aus dem gesetzlich geregelten Bereich. Inhouse-Seminare, Beratung und Schulungen für Unternehmen runden das Angebot der LVQ ab.
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