In der siebten Folge unsere Podcasts Du bist mehr als dein Lebenslauf spricht Martin Salwiczek mit Pélagie Mepin-Koebel und Helene Thiessen über die Jobsuche mit Migrationshintergrund. Was sie eint: Alle haben so einen Migrationshintergrund, und im Podcast teilen sie ihre ganz persönlichen Erfahrungen.
- was ihnen Kraft und Orientierung gegeben hat,
- welchen Herausforderungen sie begegnet sind und
- welche Hürden Berufseinsteiger*innen mit Migrationshintergrund allgemein nehmen müssen,
das und mehr erfährst du ab sofort in unserer 7. Folge.
Die wichtigsten Inhalte ihres Gesprächs kannst du im Folgenden nachlesen. Wir empfehlen natürlich, die ganze Folge anzuhören:
Nach dem inspirierenden 1. Teil, in dem Martin, Pélagie und Lena über persönliche Erfahrungen, Hürden und kulturelle Anpassung gesprochen haben, liegt der Fokus diesmal insbesondere auf
- der beruflichen Weiterentwicklung,
- der Bedeutung von Mentoren und
- der Kraft des eigenen Mindsets.
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Du hast Fragen, Anregungen oder einen Vorschlag, wovon die nächste Folge handeln sollte? Dann schreib uns! Vielleicht gibt es dann ja bald eine Folge zu deinem Wunschthema ...
Und wenn dir gefällt, was du hörst, empfiehl uns gern weiter! ;-)
Neues Zuhause, neue Menschen, neues Normal?!
Pélagie Mepin-Koebel wurde in Kamerun geboren und kam im Alter von acht Jahren nach Deutschland, als ihr Vater eine diplomatische Position übernahm. Sie hat hier Karriere gemacht und bei uns die Weiterbildung zur Projektmanagerin, Online-Redakteurin, Online-Marketing- und Social-Media-Managerin absolviert. Mittlerweile arbeitet sie als Country Director Germany bei EverySense, einem Anbieter für nachhaltige Logistiksoftware. Außerdem hat sie mit "Fashion Life Balance" ihr eigenes Start-up gegründet.
Helene Thiessen, liebevoll Lena genannt, stammt aus Kasachstan und arbeitet seit nunmehr zehn Jahren bei der LVQ. Sie unterstützt Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bei der Jobsuche sowie im Bewerbungsprozess. Beide erinnern sich noch sehr lebhaft an den Umzug nach und die Anfangszeit in Deutschland.
Martin, der diese Folge moderiert, wurde zwar nicht im Ausland geboren, hat aber polnische Wurzeln und durch seine Eltern und Großeltern sehr viel mitbekommen, was das Thema Identität und Zugehörigkeitsgefühl angeht.
Auf einmal ist alles anders: von Migrationshinter- und -vordergründen
Für Lena, die im Alter von zwölf Jahren nach Deutschland kam, war der Umzug „ein absoluter Kulturschock.“ Für sie habe es sich angefühlt, als wären sie ständig irgendwohin gefahren, ohne so recht zu wissen, wo es hingeht. Pélagie teilt ein prägendes Erlebnis aus der Anfangszeit in Deutschland: Kurz nachdem ihre Familie nach Bonn eingewandert war, stand sie mit ihren Geschwistern an einer Ampel. Dann kam eine Gruppe deutscher Kinder auf sie zu und berührte die Haut und die Haare der Neuankömmlinge. „Die hatten solche Menschen wie uns noch nicht gesehen“, erinnert sich Pélagie. „Damals haben wir uns nur gedacht: Okay, also das ist ja mutig, dass sie sich trauen, uns anzufassen – und wieso sind wir überhaupt so interessant?“ Für Pélagie eine Lektion in Offenheit und Neugier, die sie bis heute begleitet.
Berufseinstieg und die Bedeutung der Sprache
Beim Thema Berufseinstieg berichtet Pélagie von den Höhen und Tiefen, die sie erlebt hat. Trotz eines exzellenten Studiums stand sie vor der Herausforderung, eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. „Es war eine Mischung aus existenzieller Angst und dem üblichen Druck, den Berufseinsteiger*innen kennen“, erinnert sie sich. Dank der Unterstützung unter anderem durch ihren Arbeitgeber konnte sie schließlich ihren Weg gehen.
Lena ergänzt, dass Sprachbarrieren eine große Herausforderung darstellen, insbesondere für Berufseinsteiger*innen aus dem Ausland. Sie hebt jedoch auch die Möglichkeiten hervor, die das Land biete: „Deutschland macht es uns leicht, die Sprache zu lernen, und das sollte jeder nutzen.“ Pélagie fügt hinzu: „Sprache ist eine Geheimwaffe. Sie öffnet Türen und schafft Möglichkeiten.“
Die Rolle der Familie und der eigenen Identität
Ein zentrales Thema, das beide Gäste beschäftigt, ist die Rolle der Familie und der eigenen Identität. Pélagie betont: „Du bist mehr als dein Lebenslauf.“ Sie spricht darüber, wie ihre Tochter eine große Inspirationsquelle und Energiequelle für sie ist. „Ich habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass es mir hilft, das Leben anders zu sehen und kreativer zu sein“, erzählt Pélagie.
Lena, ebenfalls Mutter, beschreibt ihre Kinder als „Sonnenscheine“ und betont, wie wichtig es ist, von seinen Kindern zu lernen. Neben der Familie spielt für Lena auch die Natur eine große Rolle – zum Erden und Entspannen.
Erfolgsformel und der Umgang mit Herausforderungen
Pélagie teilt ihre persönliche Erfolgsformel: „Ich glaube daran, dass Dinge möglich sind. Und an meine eigene Kraft. Man muss offen sein und bereit, Chancen zu ergreifen.“ Sie spricht auch über die Bedeutung von Mentoren und Unterstützern auf ihrem Weg. Auch Lena betont die Wichtigkeit von Mentoren und berichtet von ihren positiven Erfahrungen beispielsweise mit Lehrer*innen, ohne die sie nicht wäre, wo sie heute ist. Umso mehr freue es sie, dass mittlerweile viele LVQ-Teilnehmer*innen in ihr so eine Mentorin sehen. „Es ist egal, welchen Begriff man dafür verwendet; es ist einfach so viel wert, einen Menschen an deiner Seite zu haben, der deinen wahren Kern erkennt.“
Martin bricht eine Lanze für alle Mentor*innen, zu denen er auch seine Mutter zählt: Sie unterrichte Deutsch als Fremdsprache und sei „eigentlich mehr Mentorin, Mama und Begleiterin als Lehrerin.“
Der Umwelt etwas zurückgeben: Pélagies Start-up Fashion Life Balance
Neben ihrem Interesse an Sprache und Kultur gibt es vor allem ein Thema, das Pélagie umtreibt: Nachhaltigkeit. Nach 20 Jahren im Management habe sie sich gefragt: „Was gibt es noch? Wie kannst du dich noch in diese Welt einbringen?“ Bei ihren Recherchen sei ihr aufgefallen, dass wir in Sachen Kleidung oft wenig bis gar nicht nachhaltig handeln. „Ich dachte: Okay, wenn wir durch unsere Kleidung – die wir ja genauso brauchen wie Essen und Trinken – so viel Schaden anrichten, dann müssen wir das ändern. Und genau darum geht es bei Fashion Life Balance. Wir wollen das Schneiderhandwerk in Deutschland und Europa dabei unterstützen, hochwertige Kleidung herzustellen, ohne die Umwelt allzu sehr zu belasten.“
Darüber hinaus zeigen Pélagie und ihr Team Unternehmer*innen im Schneiderhandwerk, wie sie ihre Präsenz verbessern, also sichtbar(er) werden, damit sie wiederum den Verbraucher besser beraten können.
Nach zwei Jahren – und ja, Fashion Life Balance gibt es noch, was für ein Start-up nicht selbstverständlich ist! – hat Pélagie nichts von ihrem Elan verloren und ist überzeugt: „Das war für mich absolut richtig. Also auch, beides zu machen: Bei EverySense unterstütze ich Unternehmen dabei, mehr die Schiene, also Bahntransporte nutzen, um ihre Ware zu transportieren, was CO2-Emissionen einspart.“ Und bei Fashion Life Balance nehme sie die Umweltbelastung eben durch Kleidung in den Fokus. „Hier habe ich eine sehr schöne Community an Maßschneider*innen, mit der ich im ständigen Austausch bin.“ Ein Balance-Akt sei es bisweilen aber schon, schließlich habe auch ihr Tag nur 24 Stunden …
Fortsetzung folgt
Unser Gespräch mit Pélagie und Lena war so inspirierend und tiefgründig – und ergiebig –, dass wir beschlossen haben, Folge 7 in zwei Teilen zu veröffentlichen. Im zweiten Teil, um den wir diesen Beitrag am 05.09.2024 ergänzen, setzen wir uns weiter mit den Herausforderungen der Jobsuche und des Berufslebens auseinander. Dabei werden Themen wie Diskriminierung, Identität und die Entwicklung eines positiven Mindsets im Fokus stehen.
Fortsetzung: Meinungsbilder, Mentoren und das richtige Mindset
Fast jede*r dritte Erwerbstätige in Deutschland hat einen Migrationshintergrund
Zu Beginn der Folge liest Martin einen LinkedIn-Post vor, den Pélagie vor einiger Zeit im Business-Netzwerk geteilt hat. Aufhänger war eine Initiative des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), laut der jede*r dritte Erwerbstätige in Deutschland einen Migrationshintergrund hat. Für sie Grund genug, Revue passieren zu lassen und ihre Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen:
„Vor 21 Jahren habe ich den deutschen Pass angenommen und durfte seitdem in ganz tollen Familienunternehmen und Start-ups arbeiten. […] Zu jedem Zeitpunkt habe ich mich als Teil des Teams gefühlt. Für diese tollen Arbeitgeber und die vielen wunderbaren Kollegen und Kolleginnen mit und ohne Migrationshintergrund, mit denen ich Wegabschnitte teilen durfte, bin ich sehr dankbar.“
„Es sind Worte, Sätze, Menschen, Momente, die den Unterschied machen.“
Ein bisschen Glück habe laut Pélagie auch dazugehört, dass bei ihr die Jobsuche mit Migrationshintergrund so gut gelaufen ist. So erinnert sie sich noch sehr lebhaft an folgende Bewerbungssituation: „Im Interview habe ich dem Geschäftsführer dann gesagt: Sie wissen schon, dass ich von dem Thema jetzt nur weiß, wie es geschrieben wird? Ich bin zwar bereit zu lernen, aber viel weiß ich noch nicht. Daraufhin habe der Geschäftsführer geantwortet, dass sie Willen mitbringe und über gesunden Menschenverstand verfüge. „Das wird gut gehen.“
Lena, die bei der LVQ regelmäßig Menschen mit und ohne Migrationshintergrund berät, fügt hinzu, wie wichtig es sei, in der Phase der Berufsorientierung und Jobsuche auf Menschen zu treffen, die einen fördern und unterstützen. Sie ist überzeugt, dass Worte, Sätze, Menschen und einzelne Momente den entscheidenden Unterschied machen können.
Martin appelliert an die Hörer*innen, sich Mentor*innen zu suchen, die ihnen etwaige Ängste nehmen, Empfehlungen aussprechen, das Netzwerk wachsen lassen et cetera. Und wer nichts dem Zufall überlassen möchte, könne sich auch direkt an eines der vielen Mentorenprogramme wenden. Hier gebe es für jede Situation den passenden Fachbereich – ob ausländische Fachkraft oder #WorkingWoman.
Die Bedeutung der inneren Haltung und des Mindsets
So dankbar sie auch auf die letzten Jahre zurückblickt – Pélagie habe nicht vergessen, wie es sich anfühlt, auf Jobsuche zu sein. Oder „man hat keine Arbeitsgenehmigung oder eine, die in drei Monaten abläuft. Ohne Job, weiß man, wird das nicht verlängert. Im schlimmsten Fall darfst du gar nicht in Deutschland bleiben. Dann musst du irgendwohin zurück, was als deine Heimat bezeichnet wird, aber wo du nicht weißt, ob das noch deine Heimat ist und wo du gar nicht weißt, was dich erwartet.“ In diesem Zusammenhang habe Pélagie den Satz gehört, „Der Job ist dein Vater und deine Mutter. Und in dieser Situation habe ich zum Beispiel den Satz gehört, der Job ist dein Vater und deine Mutter. Da kriegt man schon Tränen in den Augen, wenn man merkt, es klappt nicht und es gibt die Wahrscheinlichkeit oder die Möglichkeit, einen Job nicht zu bekommen …“
Mit der Zeit habe sie aber gelernt, dass sie keine Angst zu haben brauche, keinen oder nicht den richtigen Job zu finden: „Ich denke, es ist essenziell, wie wir an die Dinge herangehen. Wenn ich das richtige Paket habe und dafür sorge, dass die Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird, dann kommen die Dinge ja auch zu mir.“
Darüber hinaus habe nicht zuletzt ihre Weiterbildung bei der LVQ ihr vor Augen geführt, dass sie sich ein gegebenes Thema zu eigen machen und nutzen könne, um ihr Berufsleben anders zu gestalten. „Im Umkehrschluss heißt das, es gibt keinen Grund für mich, Angst zu haben, ich könnte irgendwo nicht mehr reinpassen oder ich würde keinen passenden Job finden, denn entweder gibt es den passenden Job und ich finde ihn auch oder ich schaffe den passenden Job für mich.“ Das könne eine Unternehmensgründung sein, ein Start-up, eine Selbstständigkeit oder die Neuinterpretation einer Stelle, die wir bekleiden. Diese Einsicht sei für Pélagie eine richtige Befreiung gewesen.
Lena fügt hinzu: „Gedankenhygiene ist entscheidend. Gerade in Umbruchsphasen ist unser innerer Kritiker oft sehr laut. Da geht es darum, nachzuhorchen, woher diese Stimme kommt und wie wir damit arbeiten.“
Diskriminierungserfahrungen – Realität und Umgang
Hat Pélagie im Berufskontext Diskriminierung erfahren? Ad hoc fielen ihr jedenfalls keine schlimmen Situationen ein. Vielleicht liege das auch an ihrer Strategie, sich auf das zu konzentrieren, was sie beeinflussen könne. „Ich kann meine Hautfarbe nicht ändern, aber ich kann an mir arbeiten, mich weiterbilden und mich weiterentwickeln.“ Ihre Haltung verdeutlicht, wie wichtig es ist, den Fokus auf das zu legen, was man selbst beeinflussen kann, und sich nicht durch äußere Umstände entmutigen zu lassen.
Lena weiß: Die Frage nach Diskriminierung ist komplex und hängt von vielen Faktoren ab, einschließlich der Unternehmenskultur und den individuellen Einstellungen der Menschen. „Es gibt sicherlich Unternehmen, die aufgrund ihrer Kultur offener oder geschlossener sind“, sagte sie. „Deshalb ist es wichtig, sich genau anzuschauen, welche Kultur ein Unternehmen pflegt und ob diese zu einem passt.“ In vielen Fällen vermittle die Unternehmenswebsite einen guten (oder weniger guten) ersten Eindruck. Wie ‚bunt‘ sind beispielsweise die Bilder, die Mitarbeiter*innen zeigen? Stehen irgendwo Begriffe wie ‚Diversität‘ oder ‚Vielfalt‘ oder ist man „an traditionellen Werten orientiert“?
Vision für die Zukunft der Arbeitswelt
Zum Abschluss unserer siebten Episode teilen beide ihre Vision für die Zukunft der Arbeitswelt. Pélagie sieht eine Vielzahl an Möglichkeiten: „Wir haben jetzt schon viele Chancen, und das wird weitergehen. Mit der Unterstützung durch Technologie und der Offenheit für Neues wird es in Zukunft noch einfacher, verschiedene Karrieren und Berufsfelder zu erkunden.“ Lena teilt diese Vision und ergänzt: „Ich sehe eine bunte Arbeitswelt, in der verschiedene Generationen und Kulturen enger zusammenarbeiten und voneinander lernen. Die Zukunft ist spannend, und wir sollten sie mitgestalten!“
Ein herzliches Dankeschön an Pélagie und Lena für ihre Offenheit und wertvollen Beiträge!
In unserem Podcast geht es um die Phase #ZwischenZweiJobs, also Jobsuche und Berufsorientierung, aber auch um das Thema (geförderte) Weiterbildung und Trends sowie Entwicklungen der Arbeitswelt allgemein.
Wir unterhalten uns mit spannenden Gästen, darunter Karriere-Coaches, Vertreter*innen der Verwaltung und natürlich ehemalige Teilnehmer*innen unserer Weiterbildung.
Du hast Fragen, Anregungen oder einen Vorschlag, wovon die nächste Folge handeln sollte? Dann schreib uns! Vielleicht gibt es dann ja bald eine Folge zu deinem Wunschthema ... ;-)
Dies ist der Karriereblog von LVQ.de. Unsere Artikel werden verfasst von unserem Redaktionsteam bestehend aus Martin Salwiczek, Lars Hahn und Kay Pfefferkuchen.
Die LVQ Weiterbildung und Beratung GmbH bietet Weiterbildungen für Fach- und Führungskräfte und Akademiker. Unser Vollzeitangebot mit anerkannten Abschlüssen kann zum Beispiel über den Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit gefördert werden. Besonderes Augenmerk legen wir auf Online-Präsenzunterricht mit Dozent*innen aus der beruflichen Praxis und der weiterbildungsbegleitenden Unterstützung bei der Jobsuche.
Für Berufstätige bietet die LVQ Business Akademie entsprechende Weiterbildungen. Der Fokus liegt auf der Vermittlung fachspezifischer Themen aus dem gesetzlich geregelten Bereich. Inhouse-Seminare, Beratung und Schulungen für Unternehmen runden das Angebot der LVQ ab.
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