Robo-Recruiting, künstliche Intelligenz und deren Auswirkungen für Jobsuche und Bewerbung

17.01.2019, Lars Hahn

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Künstliche Intelligenz und Digitalisierung haben längst Einzug gehalten in Bewerbung und Jobsuche. Bei der Personalgewinnung nutzen Recruiter heute längst digitale Tools wie Recruiting-Software-Plattformen. 

Die nächste Generation digitaler Helferlein ist bereits im Anmarsch: Automatisierte Chatbots führen erste Gespräche mit Bewerbern. Mittlerweile wählen gar künstliche Algorithmen selbständig die Kandidaten für die nächste Runde aus. Dies sind nur zwei Beispiele für sogenanntes Robo-Recruiting beziehungsweise „Künstliche Intelligenz im Bewerbungsprozess“, das auch der Bundesverband der Personalmanager als einen der HR-Trends für 2019 sieht.

Aber was bedeutet Robo-Recruiting konkret? Wählen jetzt süße, kleine Roboter mit Knopfaugen den richtigen Kandidaten für die ausgeschriebene Stelle aus dem virtuellen Stapel von PDF-Bewerbungen aus? Bedeutet Robo-Recruiting, dass künstliche Intelligenz (KI) den Menschen als Recruiter ersetzen wird? Welche Bedeutung hat Robo-Recruiting für Bewerber? Welche Aspekte müssen Sie bei der Jobsuche in Zeiten von Digitalisierung und KI beachten?

In dieser Kolumne befasse ich mich mit Automatisierung und künstlicher Intelligenz. Außerdem zeige ich Ihnen die Auswirkungen für Ihre Bewerbungen bei der Jobsuche auf und gebe Tipps, wie Sie dieses Wissen für sich einsetzen können.

Robo-Recruiting: Herr Pepper ist es nicht!

Kennen Sie Pepper? Das ist der knuffige Roboter, der ständig auf Messen und Kongressen zum Thema Digitalisierung rumgereicht wird. Ich hatte auch schon das Vergnügen, ihn kennenzulernen. Wer nun aber als Bewerber bei Robo-Recruiting daran denkt, von humanoiden Robotern im Vorstellungsgespräch interviewt zu werden, wird vermutlich enttäuscht. Denn meist ist mit Robo-Recruiting eher etwas anderes gemeint. Nämlich die Auswahl von Bewerbern per Computer-Algorithmus oder gar künstlicher Intelligenz.

Die kleine Geschichte des Robo-Recruiting in vier Schritten

Tatsächlich gibt es Automatisierung in Bewerbungsverfahren durch Computer schon mindestens zwei Jahrzehnte – ebenso lange, wie es E-Mail- und Online-Bewerbungen gibt. Die Digitalisierung des Stellenbesetzungsverfahrens entwickelte sich dabei in vier Schritten:

Schritt 1: Bewerber-Software selektiert per Online-Formular

Spätestens mit Beginn des neuen Jahrtausends wurden Bewerber mit Online-Formularen zur Bewerbung konfrontiert. Bei meiner letzten Jobsuche 2004 durfte ich das ausprobieren: Für meine Bewerbung bei einem großem Unternehmen gab ich auf deren Webseite meine persönlichen und beruflichen Daten mühsam in – alles andere als nutzerfreundliche – Formulare ein. Anschließend lud ich meine PDF-Datei des Lebenslaufs hoch (nicht mehr als 200 Kilobyte!). Vermutlich kennen Sie dieses Prozedere, denn so funktionieren auch heute noch viele Bewertungsverfahren, wenngleich manches heute nutzerorientierter sein mag.

Was manche nicht wissen: Hinter dem Online-Formular liegen häufig Software-Systeme, die diejenigen Bewerber ohne menschliches Zutun aussortieren, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen. „Berufserfahrung kleiner als zwei Jahre fliegt raus“ oder „Kein Studienabschluss als Ingenieur: Abgelehnt“.

Ihr Aufwand für die Online-Bewerbung mag inklusive Recherche, PDF-Erstellung und Ausfüllen einige Stunden Zeit betragen. Der Algorithmus selektiert stupide nach den Vorgaben des Unternehmens binnen weniger Augenblicke. Falls Sie rauskatapultiert werden: Kein Mensch hat Ihre Bewerbung in die Hand bekommen und der Computer meint das nicht persönlich.

 

Mein Bewerbertipp:

Wenn Sie ziemlich genau in das Wunsch-Schema Ihrer Zielunternehmen passen, kann die Online-Bewerbung eine gute Strategie sein. Höchste Zeit wird es aber andere Wege in Betracht zu ziehen, wenn Sie regelmäßig in Runde 1 rausfliegen und den Verdacht haben, dass Ihre Vita Ausschlusskriterien für die erfolgreiche Online-Bewerbung enthält. Spätestens jetzt kann Netzwerken, Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt, das, was ich Systematisch Kaffeetrinken nenne, ein guter Plan sein.

Schritt 2: Recruiting in Onlineprofilen – Sourcing und Matching

Die Businessnetzwerke XING und LinkedIn werden von Headhuntern und Recruitern genutzt, um erfolgsversprechende Kandidaten aufzuspüren. Ist ja auch logisch, denn in den Businessnetzwerken finden sie die Profile von vielen Millionen Berufstätigen.

Diese direkte Bewerberansprache wird im Fachjargon auch Active Sourcing genannt. Und das können Sie sich als Bewerber zu Nutze machen. Denn wie sensationell wäre es, wenn Sie ein auffindbares Profil in den Businessnetzwerken hätten, sodass Sie bei passenden Stellen von den entsprechenden Headhuntern und Recruitern gefunden werden?

Matching ist dabei das Zauberwort. Die eingegebenen Suchwörter des Recruiters und die Keywords, die Sie in Ihrem Profil hinterlegt haben, müssen zueinander passen. Wer hierbei als Bewerber mitspielen möchte, tut also gut daran, sich in die Suchstrategie des Recruiters hineinzuversetzen und sein Profil zu optimieren.

 

Mein Bewerbertipp:

Überprüfen Sie die Keywords in Ihrem Businessprofil. Bei XING lohnt es sich, in den Feldern Ihrer Berufserfahrung und besonders unter „Ich biete“ die passenden Suchwörter zu platzieren, die zu Ihnen führen sollen. Dazu ist es wichtig, dass Sie Ihre eigenen Keywords kennen. Wie Profiloptimierung bei XING funktioniert, haben wir in diesem Blog schon ausführlich beschrieben.

Schritt 3: Recruiting-Chatbots – Wenn Bewerber mit Computern sprechen

 

Robo-Recruiting-Chatbots

Chatbots als Ansprechpartner bei der Bewerbung?

 

Parallel zum Einzug von Sprachassistenten in den Alltag – wie Siri, Alexa und Co. – werden für die geschäftliche Kommunikation allerorten die sogenannten Chatbots gepriesen. In der Regel sind das digitale Chatpartner, mit denen der Kunde oder in unserem Fall der Bewerber in Facebook, Whatsapp und Co. hin und her schreiben kann. Ganz automatisiert, ohne dass direkt ein Mensch beteiligt ist. 

Der Vorteil für Bewerber: Es ist stets „jemand“ erreichbar, wenn eine Frage auftaucht. Gut gemachte Chatbots können viele Standardfragen „kompetent“, freundlich und nett beantworten. 

Wer mit Siri, Alexa und Co. Erfahrungen hat, wird aber die Grenzen eines solchen Systems erahnen: An individuellen, kniffligen Anfragen scheitern Chatbots und Bewerber (noch). Spätestens jetzt äußert der Chat-Roboter so etwas wie „I’m confused“ und Sie müssen schauen, wie Sie auf anderen Wegen an Ihre Information kommen.

 

Mein Bewerbertipp:

Auch, wenn viele Chatbots noch in der Experimentierphase zu sein scheinen, probieren Sie sie bei Gelegenheit aus. Standardantworten zum Stellenangebot erhalten Sie allemal. Und wenn Ihr Chatbot und Sie nicht weiterkommen, hilft vielleicht die Recherche nach einem persönlichen Ansprechpartner bei XING oder auf der Karriere-Webseite des Unternehmens.

Schritt 4: Jobinterview mit einem Roboter

Relativ aktuell sind (meist telefonische) Vorstellungsgespräche mit einer Robo-Stimme und dahinter geklemmter künstlicher Intelligenz. Ein paar Konzerne, Personaldienstleister und der Versicherungskonzern Talanx setzen diese gerade in Deutschland ein. Für Unternehmen verlockend: Standardisierte Gespräche, effizient obendrein und die Software wertet ohne störende menschliche Einflussfaktoren aus. Theroretisch.

Die Maschine stellt die Fragen und die künstliche Intelligenz wertet Ihr Persönlichkeitsprofil aus. „Wenn der Roboter die Fragen stellt“ heißt ein spannend beschriebener Selbstversuch von Zeit-Autor Kolja Rudzio, in dem der Proband sich über einen typischen Sonntag und andere Alltagsfragen auslassen soll und anschließend anhand der Sprachanalysen sein Persönlichkeitsprofil erhält. Zurzeit werde die anschließende Bewerberauswahl aber (noch) von Menschen betrieben, versichern die beteiligten Unternehmen. Karriereberaterin Svenja Hofert befasst sich ausführlich mit diesem Verfahren des Robo-Recruitings und kommt zum Schluss, dass neben der Frage der Fundiertheit der Auswertung von Robo-Interviews auch Ethik und Datenschutz ungeklärt seien.

Auch Sie als Bewerber sind gefragt, ob Sie sich auf ein automatisiertes Vorstellungsgespräch einlassen möchten. Spätestens hier wird es ethisch: Verweigere ich ein Robo-Interview und riskiere damit, eine gewünschte Stelle nicht zu bekommen?

 

Mein Bewerbertipp:

Falls Sie zu einem Robo-Interview eingeladen werden, informieren Sie sich über das Verfahren. Fragen Sie nach, welche Methode angewandt wird. Möglicherweise finden Sie Hinweise und Informationen bei einer Google-Recherche. Schauen Sie beim Arbeitgeber-Bewertungsportal kununu, ob andere Bewerber ihre Erfahrungen über das Prozedere teilen. Damit erleichtern Sie sich Ihre Vorbereitung. Und beantworten Sie sich die Frage, ob Sie in dem Unternehmen arbeiten möchten, das per KI seine Mitarbeiterauswahl betreibt.

KI und Jobsuche: Dynamische Zeiten

Alle Themen, die mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz zu tun haben, nehmen momentan rasant an Fahrt auf. Wir befinden uns diesbezüglich gerade in der Pionierzeit, in der geklärt werden muss, wieviel künstliche Intelligenz wir wollen, was nützlich ist und was eher schädlich.

Für das Thema Personalgewinnung beziehungsweise Jobsuche gilt das auch. Die Dynamik ist so groß, dass es während der Zeit der Bewerbung hilft, sich per Recherche und Lektüre über die Trends auf dem Laufenden zu halten.

 

Deshalb noch ein Bonustipp: Wissen, was Recruiter rumtreibt.

Ich persönlich finde viele Informationen für Bewerbung und Jobsuche, indem ich mir die „andere“ Seite anschaue. Wenn Sie wirklich wissen wollen, wie Recruiter und Headhunter ticken, erforschen Sie neben Digital- und Karriereseiten der einschlägigen Online-Medien auch HR-Portale und –blogs. Hier bei uns im Blog finden Sie eine Auswahl.


 

 

 

 


 

 

Dies ist der Karriereblog von LVQ.de. Unsere Artikel werden verfasst von unserem Redaktionsteam bestehend aus Angela Borin, Lars Hahn und Martin Salwiczek.

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