Hören Sie auf, sich zu bewerben! Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt

24.05.2018, Lars Hahn

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Kennen Sie das Spiel „Die Reise nach Jerusalem“?

Kinder laufen im Kreis um Stühle und müssen sich bei einem Signal oder stoppender Musik auf einen Stuhl setzen. Immer ist ein Stuhl zu wenig da und ein Kind scheidet aus. Zuletzt ergattert nur eines den letzten Stuhl.

So ähnlich verläuft auch das Bewerbungsritual, nur mit verschärften Bedingungen. Anstelle von zwei finalen Bewerbern, wollen Nzig Jobsuchende eine Stelle, wobei eben von Anfang an nur ein Stuhl frei ist (Nzig steht für 5zig, 4zig, 7zig). Denn das ist die Wahrheit: Trotz des vielfach beschworenen Fachkräftemangels bewerben sich im offenen Stellenmarkt relativ viele Menschen auf eine einzige Stelle.

Jedoch dürfte mittlerweile bekannt sein: Der offene Stellenmarkt (Stellenanzeigen, Ausschreibungen, Jobbörsen) bildet nur einen Bruchteil der zu besetzenden Stellen ab. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (kurz: IAB) zeigte in seiner sehr umfassenden Stellenerhebung von 2017, dass nur 31 Prozent der Stellen über Jobbörsen und Printanzeigen besetzt werden.

In diesem Beitrag erfahren Sie daher, weshalb es während der Jobsuche hilfreich sein kann, sich nicht klassisch zu bewerben, sondern bewusst die Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt anzugehen.

Etwa 30 Prozent der Stellen werden offen besetzt

Möglicherweise werden zwar mehr als 30 Prozent der zu besetzenden Stellen ausgeschrieben, nur werden diese dann bisweilen trotzdem anders besetzt. Nach meiner Erfahrung konzentrieren sich jedoch mehr als 90 Prozent der Bewerber nach wie vor genau auf diesen offenen Stellenmarkt. Daher das Bild von der Reise nach Jerusalem mit verschärften Bedingungen.

Spätestens wenn jemand in seiner Bewerbung eines der folgenden Merkmale präsentiert: Zu wenig Berufserfahrung, zu viel Berufserfahrung, die falsche Berufserfahrung, zu häufig gewechselt, zu wenig gewechselt, überqualifiziert, keine Branchenerfahrung (und wir reden jetzt mal nicht von Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund) – könnte er beim Balgen um den heißen Stuhl regelmäßig leer ausgehen. „Obwohl ich fachlich geeignet bin…“, „Obwohl ich die Aufgaben erledigen könnte…“.

Manche Bewerber flüchten sich dann in noch mehr Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen, bei denen sie gar nicht mehr wirklich erwarten, zu den Bewerbungsgesprächen eingeladen zu werden. Dabei werden viele Stellen ganz anders besetzt, eben nicht durch offene Ausschreibungen. Ganz gleich ob nun 70 oder nur 50 Prozent – gerade interessante, anspruchsvollere Stellen werden bisweilen im verdeckten Stellenmarkt vergeben.

Verdeckter Stellenmarkt: Bewusstes Pflegen von Kontakten

Was genau ist der verdeckte Stellenmarkt? Er umfasst alle Stellen, die nicht über offene Ausschreibungen in Jobbörsen, Stellenportalen oder Anzeigen besetzt werden.

Jobs im verdeckten Stellenmarkt werden durch Kontakte und Empfehlungen besetzt. Mitarbeiter empfehlen dabei Kunden, Lieferanten, Geschäftspartner oder gar ehemalige Kollegen, Mitstreiter aus der Weiterbildung von vor drei Jahren, die Freundin aus dem ehrenamtlichen Engagement beim Kinderschutzbund.

Die Regeln des verdeckten Stellenmarktes basieren auf Vertrauen und Empfehlungen. Wer da mitmachen möchte, sollte zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Oder Sie stehen bereits im Adressbuch der Mitarbeiter Ihrer Branche. Xing lässt grüßen.

Vernetzung, gezielte Initiativbewerbung, Gespräche führen mit Bekannten und ehemaligen Kollegen, sich in Erinnerung bringen. Ich nenne die Strategie bekanntermaßen „Systematisch Kaffeetrinken“. Einen umfassenden, besonders lesenswerten Artikel über die Mechanismen des verdeckten Stellenmarktes hat Jochen Mai in der von uns geschätzten Karrierebibel verfasst.

Job per Zufall?

Spannend ist übrigens, dass viele Menschen, die regelmäßig und viele Bewerbungen schreiben, mir in Vorträgen antworten, dass sie den verdeckten Stellenmarkt gar nicht beackern, schon gar nicht systematisch. Glücklicherweise stimmt das nur halb. Während die Jobsuche per Bewerbung systematisch und bewusst verläuft, werden Aktivitäten im verdeckten Stellenmarkt bei den meisten dem Zufall überlassen.

Wenn Sie Menschen dann fragen, wie sie letztlich die neue Stelle gefunden haben, kommen oft Antworten wie: „Das war totaler Zufall! Ich hatte mich 2undNzig mal beworben, treffe dann beim Shoppen auf eine ehemalige Kollegin und wir trinken spontan einen Kaffee miteinander. Sie klagt von der Überlastung im Job und dass sie Verstärkung bräuchte. Ich sage, ich hab Zeit, sie stellt mich am nächsten Tag ihrem Chef vor. Eine Woche später habe ich schon angefangen. Obwohl ich gar nicht 100 Prozent passte…“

Zufall? Nee, verdeckter Stellenmarkt.

Das ist der Grund für meine überzogene Aufforderung am Eingang des Artikels: „Hören Sie doch mal auf, sich zu bewerben!“

Keine Zeit für den verdeckten Stellenmarkt?

Gemeint ist natürlich, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Aktivitäten während der Jobsuche viel stärker auf den verdeckten Stellenmarkt verlagern, denn Bewerbungen zu schreiben, kostet viel Zeit. Die Stellenrecherche in Jobbörsen ist aufwändig, die PDF-Datei muss regelmäßig gepimpt werden. Und erst das Anschreiben…! Bei so viel Bewerbung bleibt einfach keine Zeit für den verdeckten Stellenmarkt oder gar „Systematisch Kaffeetrinken“.

Dabei kann die Jobsuche im offenen Stellenmarkt zum Teil gestrafft werden. Nur ein Tag der Woche wird dafür reserviert, aktiv in Jobbörsen zu recherchieren, Bewerbungen anzufertigen und zu versenden. Die restlichen Tage werden bewusst dem verdeckten Stellenmarkt gewidmet (falls Sie dann doch mal dringend eine Bewerbung absenden müssen, geht das ausnahmsweise auch).

Bewusste und systematische Suche im verdeckten Stellenmarkt

Denn die Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt wird um ein Vielfaches wirksamer, wenn sie unter zwei Gesichtspunkten erfolgt: Bewusste Ausrichtung auf den verdeckten Stellenmarkt und systematisches Vorgehen. Darum geht es auch in meinen Tipps für die Suche im verdeckten Stellenmarkt:

Tipp 1: Bewusste Ausrichtung auf den verdeckten Stellenmarkt

Statt den größten Teil der Bewerbungsaktivitäten auf Stellenanzeigen und Jobbörsen zu verwenden und nur sporadisch Kontakte zu pflegen und zufällig „jemanden von früher“ zu treffen, drehen Sie den Spieß um. Nach der Regel 80:20 konzentrieren Sie 80 Prozent Ihrer Aktivitäten auf die Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt und nur 20 Prozent auf die offenen Stellen. Ein straffes Zeitmanagement à la „Dientags und Freitags recherchiere ich in XING“, „Einmal pro Woche führe ich ein persönliches Gespräch“ unterstützen diese Ausrichtung.

Tipp 2: Sichtbarkeit für den verdeckten Stellenmarkt

Es klingt paradox: Wer im verdeckten Stellenmarkt unterwegs ist, sollte sichtbar sein. Aktive, bewusste und systematische Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt erfordert im Jahr 2018 auch ein professionelles Auftreten im Internet. Denn wer ein Business-Profil im Internet hat, kann sich im verdeckten Stellenmarkt vernetzen und dort systematisch recherchieren. Die Businessnetzwerke XING und Linkedin sind geeignete Plattformen für berufliche Sichtbarkeit und Vernetzung. Wir haben hier im Blog bereits viele Tipps und Infos dazu veröffentlicht.

Tipp 3: Systematische Aktivitäten im verdeckten Stellenmarkt

Besonders wirksam wird die Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt durch einen planvollen Methoden-Mix aus Recherche, Pflegen und Erweitern von Kontakten und regelmäßigem Führen von Gesprächen. Netzwerke und Tools wie XING und LinkedIn können diese Aktivitäten unterstützen, manchmal sind aber auch Listen und die gute alte Excel-Tabelle für die Planung und Verfolgung der Aktionen im verdeckten Stellenmarkt nützlich.

Verdeckter Stellenmarkt trifft offene Jobausschreibungen

Mein Plädoyer für den Fokus auf den verdeckten Stellenmarkt sehen manche recht kritisch, sogar hier bei uns im Haus. „Vergiss nicht, dass viele ihre Stelle dann doch über Bewerbungen finden.“

In der Tat: Das eine kann ohne das andere kaum wirksam sein. Die Möglichkeiten der Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt entfalten erst voll ihre Wirksamkeit, wenn Sie auch ihre Hausaufgaben in Sachen Bewerbungsanschreiben, Lebenslauf und PDF-Datei erfüllt haben.

Denn in der Praxis erleben Sie manchmal eine Melange aus verdecktem und offenem Stellenmarkt. Nachdem Sie Ihrer ehemaligen Kollegin beim von Ihnen spendierten Kaffee Ihre Bewerbungs-PDF rübergewhatsappt haben, landen Sie in ihrer Firma direkt im Vorstellungsgespräch und anschließend punktlandend im Job.

Und jetzt sind Sie dran: Haben Sie bereits Erfahrungen im verdeckten Stellenmarkt gesammelt? Teilen Sie diese gerne mit uns in den Kommentaren!


 

 

 

 


 

 

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8 Kommentare

tonka
12. Dezember 2018

DER trend mit den online-Jobbörsen kommt ja wie auch vieles andere aus den USA und zeitversetzt merke ich, dass diese teilweise nix taugen

 

meine verwandten aus den USA hatten mir schon vor Jahren davon erzählt, dass dort viele Fake stellen nur so drin sind um zu suggerieren dass es den betrieben gut gehe

naja ich kann das nur unterstreichen

 

sobald eine Stelle dort erscheint ist es schon zu Spät und man hat keine chance mehr


Jerome Mittelstadt
29. November 2018

Ein großes Kompliment an die Autoren des Textes! Speziell Ihre Sichtweise bezüglich der Herstellung und Pflege eines Beziehungsnetzwerks halte ich in der heutigen Zeit für eine der effektivsten Strategien um Zugang zu Arbeitsplätzen zu bekommen.

 

Ich denke, diese Strategie ist jedoch leider nur für eine Splittergruppe aller Arbeitssuchenden anwendbar... Der Großteil aller Arbeitssuchenden verfügt meines Erachtens, weder über das Knowhow um sich für Stellen zu prädestinieren noch über Beziehungsnetzwerke die den Zugang zu Arbeitsstellen ermöglichen könnten.

 

Grade für Arbeitskräfte die frisch von Universitäten oder Hochschulen kommen und noch nicht über Kontakte zu verschiedenen Unternehmen verfügen sind Arbeitsportale/Stellenbörsen daher ein wichtiges Kontaktmedium. Aber auch hier kommt es, wie von Ihnen erwähnt auf einen Mix der Strategien an. Aber auch hier kommt es, wie von Ihnen erwähnt auf einen Mix der Strategien an. So kann es für Absolventen förderlich sein nicht nur bei der großen Jobportalen (Xing, Monster, StepStone etc.) zu suchen, sondern eben auf kleinere Seiten wie z.B.www.workpool-jobs.de/ zu suchen, da hier oftmals nicht nur nach High Potentials gesucht wird und der Pool an Mitbewerbern kleiner ist.

 

Unabhängig davon jedoch ein toller Artikel! Ich bin gespannt darauf Ihre nächsten Artikel zum Thema Stellensuche zu lesen.

 

Mit besten Grüßen,

 

Jerome Mittelstadt


Martin Salwiczek
04. Dezember 2018

Hallo Herr Mittelstadt,

 

danke für Ihren Kommentar.

 

Viele Grüße,

Martin Salwiczek


[…] Wie funktioniert Jobsuche im verdeckten Arbeitsmarkt? […]


[…] 1: Hören Sie auf, sich zu bewerben! Zumindest die Bewerbungen auf Standard-Stellenausschreibungen, für die Sie als Quereinsteiger […]


Jan
25. Mai 2018

Ein wahnsinnig guter Beitrag der auch meine Erfahrungen zum Großteil beschreibt. Es ist nun mal wirklich effektiver wenn man durch eine Empfehlung an eine eigentlich gar nicht existierende Stelle kommt bzw zum persönlichen Gespräch, da der zukünftige Chef natürlich im Vorfeld nachfragen wird was für ein Typ man denn ist und so wird sehr viel weniger wert auf das Papier gelegt. Meine letzten Stellen habe ich alle durch private Kontakte bekommen und das auch obwohl ich laut Papier nicht geeignet war.


Martin Salwiczek
06. Juni 2018

Danke für den Kommentar!


Dieter-Michael Last
24. Mai 2018

Mal wieder fundiert auf den Punkt gebracht, Herr Hahn. Danke.

 

Besonders die beiden Absätze von »Spätestens wenn jemand in seiner Bewerbung...« bis »werden bisweilen im verdeckten Stellenmarkt vergeben« kann ich aus meiner Erfahrung als Einstellender unterstreichen. Und das was in diesen Absätzen steht ist nicht neu. Das war schon immer so.

 

Die drei Tipps für die »systematische Suche im verdeckten Stellenmarkt« sind eigentlich nichts anderes als das kleine Einmaleins für sinnvolles Netzwerken. Das soll Ihre Ausführungen nicht schmälern, sondern nur zeigen, dass ein systematisches Vorgehen auf dem »verdeckten Stellenmarkt« kein Hexenwerk ist. Das hat nichts Kryptisches, ist keine Geheim-Wissenschaft und man muss auch keiner besonderen Loge angehören. Man muss einfach nur tun, was Sie schreiben.

 

Ich habe einen XING-Kontakt, der das wirklich vorbildlich gemacht hat. Nachdem sich auf dem offenen Stellenmarkt über ein Jahr nichts getan hat, hat er sich auf das systematische Netzwerken verlegt. Ich habe ihn über XING kennengelernt, übrigens leibhaftig auf dem monatlichen Business-Lunch einer XING-Regionalgruppe. Er hat aber auch LI bespielt und war auch sonst sehr aktiv. Es hat, glaube ich, noch mal ein jahr gedauert, dann hatte er seinen Job. Und all das, was er sich in dieser Zeit an Netzwerk-Know-How angeeignet hat, das hilft ihm jetzt im Marketing für seinen neuen Arbeitgeber.


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