Jobsuche für Geisteswissenschaftler: "Seid unkonventionell" - Interview mit Gianna Reich von Geisteswirtschaft.de

11.08.2016, Martin Salwiczek

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Gianna Reich bloggt unter Geisteswirtschaft.de und ist gefragte Rednerin für das Thema Jobsuche für Geisteswissenschaftler

Gianna Reich bloggt unter Geisteswirtschaft.de und ist gefragte Rednerin für das Thema "GeisteswissenschaftlerInnen in der Wirtschaft"

 

Vor gut zwei Jahren wurden wir erstmals aufmerksam auf Gianna Reich und ihren Blog Geisteswirtschaft.de. Eine solch umfangreiche Sammlung an Quellen, Artikeln und Interviews für Geisteswissenschaftler gab es vorher nicht. Der erste Kontakt mit Gianna entstand über Twitter. Als sie kundtat, dass sie zurück ins Ruhrgebiet zieht, luden wir sie direkt in unser Bildungszentrum ein. Spontan erklärte sich Gianna für dieses Interview bereit.

 

Martin Salwiczek: Hallo Gianna, schön dass wir uns jetzt auch persönlich kennenlernen und danke, dass Du hier bist. Bitte stell Dich unseren Lesern vor.

 

Gianna Reich: Gerne. Ich komme ursprünglich aus dem Ruhrgebiet und habe hier eine Ausbildung zur Mediengestalterin abgeschlossen. Anschließend bin ich nach Karlsruhe gezogen, um Germanistik und Kulturwissenschaften zu studieren. Beim Bachelor liege ich in den letzten Zügen, den Master werde ich berufsbegleitend zu meinem jetzigen Job bei einer Software-Firma machen.

 

Martin Salwiczek: Außerdem bloggst Du unter Geisteswirtschaft.de. Wie kamst Du zu der Idee?

 

Gianna Reich: Die Frage, die mich früh umtrieb, war: „Was ist beruflich möglich als Geisteswissenschaftler?“ Diese Frage wollte ich mir über einen Blog beantworten und alles was ich zu dem Thema finde dort in dem Blog vereinen. Bücher, Links, Artikel, Interviews, Veranstaltungen – alles was irgendwie mit den Thema zu tun hat.

Mit dem eigenen Projekt zur gefragten Rednerin

Martin Salwiczek: Also hast Du das Blog zunächst für Dich selbst gemacht?

 

Gianna Reich: In Grunde ja, zunächst aus Neugier. Aber ich wollte meine Ergebnisse auch direkt teilen. Dafür bot sich das Blog einfach an, da sich darüber alle Medien wiedergeben lassen – vom Link über das Video bis zu eigenen Medien, die man hochladen kann, wie zum Beispiel eBooks.

 

Martin Salwiczek: Heute gibst Du Workshops und hältst Vorträge. Wann kam der Punkt, an dem Du mit Deinem Blog eine gewisse Aufmerksamkeit erreicht hast?

 

Gianna Reich: Gefühlt so nach dem ersten Jahr, im Laufe des zweiten Jahres. Als ich erstmals von einer Stiftung für einen Vortrag für Geisteswissenschaftler eingeladen wurde, dämmerte es mir welche Möglichkeiten ich durch das Blogprojekt habe. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell und einfach geht. Es kam ja noch ein Lehrauftrag dazu und ich habe eine kleine Kooperation mit den Wissenschaftsladen Bonn. Aktuell schreibe ich an einem Buch zu dem Thema.

Bloggen für die Jobsuche:Etwas wagen und weiterentwicklen

Martin Salwiczek: Würdest Du aufgrund Deiner Erfahrung Geisteswissenschaftlern, die jobsuchend sind oder noch nicht genau wissen wohin sie wollen, empfehlen zu bloggen und Social Media zu nutzen?

 

Gianna Reich: Auf jeden Fall. Ich unterscheide da noch zwischen einen Blog, den man einfach aus Spaß aufbaut und einem Blog, den man gezielt als Bewerbungsplattform nutzt.

 

Beim Bewerberblog präsentiert man sich ja eher als Person, kann seine Expertise zeigen durch Referenzen, geschriebene Artikel oder abgeschlossene Projekte. Hier kann man sich auf eine Weise präsentieren, die über die klassische Bewerbung nicht möglich wäre. Das wäre allerdings schon Stufe 2 und setzt voraus, dass man schon weiß was man kann, was man nicht kann und wohin man möchte.

 

Da kann es Sinn machen erst mal mit einem Thema anzufangen, an dem man Interesse hat. Sei es über Kochen, Mode, Serien oder ein ausgefallenes Hobby zu schreiben. So lernt man die Technik zunächst mal auf eine spielerische Weise kennen, kann auch etwas experimentieren mit einem Thema in dem man sich auskennt.

 

Martin Salwiczek: Wobei man ja im öffentlichen Raum experimentiert…

 

Es muss ja nicht auf Anhieb perfekt sein. Viele Geisteswissenschaftler mit denen ich spreche haben diese Sorge, dass es bei einem Arbeitgeber unprofessionell ankommen könnte, wenn Sie beim Bloggen was falsch machen. Aber das ist eine falsche Angst. Mein Blog war anfangs auch nicht perfekt. Ich habe etwas gewagt und es dann weiterentwickelt.

Social Media für die Jobsuche: Zeigen was man kann

Wichtig ist es präsent zu sein. Bewirbt man sich zum Beispiel auf Stellen, bei denen Social Media zu den Aufgaben gehört, kann es eher hinderlich sein, wenn man im Netz gar nicht sichtbar ist. Es gibt dann keine bessere Referenz, als seine Social Media Kanäle offen zu zeigen. Und die müssen noch nicht mal hochprofessionell sein, mit irgendwelchen abgehobenen geisteswissenschaftlichen Themen.

Es gibt Menschen bei Twitter die es schaffen, in 140 Zeichen mit Alltagsgeschichten ganz viele Follower zu begeistern. Die erzählen lustige oder interessante Geschichten über sich, ihre Kinder, über das was sie in der Bahn hören. Wie kann man besser zeigen, dass man weiß wie Twitter funktioniert und das man es auch für Unternehmen anwenden kann?

 

Martin Salwiczek: Social Media dient in Deinem Beispiel als Referenz, als Darstellung der eigenen Fähigkeiten. Wie lässt es sich am besten für Jobsuche und Recherchezwecke nutzen?

 

Gianna Reich: Zunächst mal empfehle ich es offen zu kommunizieren, wenn man jobsuchend ist. Viele scheuen sich ja davor, aber da hat Social Media viel Potenzial, wenn so eine Info an die richtigen Personen geteilt wird. Außerdem kann man vielen spannenden Firmen folgen.

 

Ich wollte mich mal auf eine Stelle bewerben, in deren Stellenausschreibung es einen unklaren Punkt gab. Also habe ich einen der angegebenen Mitarbeiter über Twitter angeschrieben und auch zügig eine Antwort erhalten. Das Gespräch habe ich dann auf XING verlagert und darüber meine Bewerbung abgeschickt.

 

Das ist eine Möglichkeit auf unkonventionelle Art mit Arbeitgebern ins Gespräch zu kommen und sich vielleicht von anderen abzuheben. Die Social Media Plattformen sind einfach dazu gedacht, um mit Arbeitgebern auf unkonventionelle Art in Kontakt zu kommen.

Geisteswissenschaftler auf Jobsuche: Wissen, wie der Arbeitsmarkt funktioniert

Martin Salwiczek: Jetzt haben wir viel über Social Media und Online-Themen gesprochen. Gehen wir mal einen Schritt zurück: Was empfiehlst Du einen jungen Geisteswissenschaftler der kurz vor Abschluss seines Studiums steht und noch gar nicht weiß, wohin er eigentlich will?

 

Gianna Reich: Ich denke, dass es zunächst ganz wichtig ist, sich mit dem Arbeitsmarkt auseinanderzusetzen. Was für Jobs sind ausgeschrieben sind und in welchen Branchen sind diese Jobs? Kann mir vielleicht ein Career-Service helfen, oder die Agentur für Arbeit? Es gibt auch Jobbörsen speziell für Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftler, an denen man sich prima orientieren kann.

 

Da sollte ich unterschiedliche Begriffe ausprobieren. Als Historiker finde ich nicht so viele Stellen, die für Historiker ausgeschrieben werden. Also ruhig auch nach verwandten Begriffen schauen, wie Medien- oder Kommunikationswissenschaften. Das sind häufig Stellen, auf die man sich auch als Historiker bewerben kann.

 

Manchmal stecken passende Stellen hinter Berufsbezeichnungen, mit denen man so erst mal nichts anfangen kann. Für einen Jobsuchenden ist es wichtig, dafür ein Gefühl zu bekommen. Gerade Geisteswissenschaftler arbeiten häufig in Schnittstellenfunktionen, die nicht so einfach zu benennen und daher auch schwer zu finden sind. Das hat man am Anfang der Jobsuche gar nicht so auf dem Schirm.

Verdeckter Arbeitsmarkt: Kontakte knüpfen, Initiative ergreifen

Martin Salwiczek: Nun habe ich mich über Berufsbilder informiert und habe eine ungefähre Vorstellung, wo ich meine Neigungen und Fähigkeiten anwenden kann. Wie bewerbe ich mich nun als Geisteswissenschaftler?

 

Gianna Reich: Bei mir hat sich viel über mein Netzwerk ergeben. Also kann ich nur empfehlen, immer wieder Menschen kennenzulernen, mit denen in Kontakt zu bleiben und auch ehrlich mit ihnen umzugehen. Also nicht nur systematisch Kontakte zu sammeln, sondern sich wirklich auszutauschen. Funktioniert das nicht, bleiben natürlich die ausgeschriebenen Stellen, meist im Internet.

 

Man sollte sich jedoch auch mit der Initiativbewerbung auseinandersetzen. Im gewählten Umkreis schauen, welche Arbeitgeber interessant sind und dort anrufen. Ein Großteil der Stellen wird ja nicht ausgeschrieben, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Daher macht es Sinn, direkt an die Unternehmen zu gehen. Das ist eine Möglichkeit, um an Stellen in dem verdeckten Arbeitsmarkt zu kommen, wo Stellen nicht ausgeschrieben sind.

 

Martin Salwiczek: Du hast ja schon mehrere Bücher rezensiert in Deinem Blog. Welche kannst Du denn besonders empfehlen?

 

Gianna Reich: Wenn wir beim Stichwort „verdeckter Arbeitsmarkt“ bleiben, dann das Buch „In vier Wochen zum besseren Job“ von Dieter Schmich. Das ist so meine Bibel für das Thema Jobsuche. Zunächst wird erklärt, warum so viele Jobs nicht ausgeschrieben werden und der Leser gewinnt so ein Verständnis vom verdeckten Arbeitsmarkt. Dazu schreibt der Autor unglaublich motivierend und liefert eine systematische Vorgehensweise, mit handfesten Methoden und Worksheets. Ich habe das Buch zuletzt einer Bekannten empfohlen, die Psychologie studiert hat und durch das Buch einen Job bekommen hat, der nicht ausgeschrieben war.

Weiterbildung: Manchmal mehr wert, als ein Studienabschluss

Martin Salwiczek: Wie bewertest Du das Thema Weiterbildung für die Jobsuche, wie bildest Du Dich weiter?

 

Gianna Reich: Ich lese gern und viel, Magazine wie Blogs, besuche freiwillige Weiterbildungsangebote an der Uni oder nehme an Webinaren teil. Zudem besuche ich Kurse an Online-Hochschulen, sowas wie Iversity. So eine systematische Weiterbildung wie ihr sie anbietet, war gerade aus finanziellen Gründen ein Hindernis. Als Student bekommst Du ja keine Förderung über Bildungsgutschein. Mal so eben mehrere hundert oder tausend Euro zu zahlen, ist nicht möglich.

 

Ich denke da aber schon an die Zeit nach dem Studium. Da kann es auf jeden Fall Sinn machen eine Weiterbildung mit einem IHK-Abschluss zu machen. In manchen Fall ist so eine Weiterbildung mehr wert als ein Studium. Bei einer Agentur oder Softwarefirma würde jemand mit Qualifikationen in Suchmaschinenoptimierung oder Google Marketing, wenn er pfiffig ist in dem Thema, eher genommen werden als ein Bewerber mit Promotionsabschluss.

 

Martin Salwiczek: Was würdest Du den Lesern abschließend noch mitteilen?

 

Gianna Reich: Nicht aufgeben und unkonventionell sein. Einfach mal Sachen ausprobieren, bei denen andere sagen: „Das klappt nicht“. So kommt man auf neue Ideen.

 

Vielen Dank für das Interview Gianna!

 

 

 

 

 

Dies ist der Karriereblog von LVQ.de. Hier schreiben Lars Hahn, Martin Salwiczek und Gastautoren.

 

Die LVQ Weiterbildung gGmbH bietet Weiterbildungen für Fach- und Führungskräfte und Akademiker. Unser Vollzeitangebot mit anerkannten Abschlüssen kann zum Beispiel über den Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit gefördert werden. Besonderes Augenmerk legen wir auf Präsenzunterricht mit Dozenten aus der beruflichen Praxis und der weiterbildungsbegleitenden Unterstützung bei der Jobsuche.

 

Das Angebot der LVQ Business Akademie richtet sich an Berufstätige und umfasst die Vermittlung fachspezifischer Themen aus dem gesetzlich geregelten Bereich. Inhouse-Seminare, Beratung und Schulungen für Unternehmen runden das Angebot der LVQ ab.

 

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Autor

Martin Salwiczek

hat als Berater, Trainer und Experte für Jobsuche und Bewerbung einen engen Draht zu den Teilnehmern der LVQ. Daraus zieht er Ideen für seine Beiträge und findet immer wieder interessante Interviewpartner.